Kim Jong-nam auf einem Foto aus dem Jahr 2010. Kurz zuvor hatte er südkoreanische Medienvertreter zum Interview getroffen.

Foto: P Photo/Ahn Young-joon

Der Bericht des südkoreanischen Fernsehsenders TV Chosun nimmt sich wie ein Clip aus einem James-Bond-Film an: Am Montagmorgen sollen zwei Frauen am Flughafen in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur einen 45-jährigen Nordkoreaner mit Giftpfeilen beschossen haben, ehe sie zu einem Taxi rannten und flüchteten. Während die Details noch nicht zweifelsfrei bestätigt sind, steht mittlerweile fest: Bei dem Opfer handelt es sich um Kim Jong-nam, den älteren Halbbruder des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un.

Die Polizei in Kuala Lumpur bestätigte, dass der 45-Jährige auf dem internationalen Flughafen der Stadt angegriffen wurde. Auf dem Weg in ein Krankenhaus starb er dann. Die Leiche wurde am Mittwoch zur Obduktion in eine andere Klinik gebracht

"Seine Hinrichtung kommt überraschend. Abgeschnitten von der Führung in Pjöngjang, galt Kim Jong-nam schließlich nicht als Bedrohung für das Regime", sagt Nordkoreanologe Benjamin R. Young, der derzeit mit einem Fullbright-Stipendium in Seoul forscht.

Vor wenigen Jahren sagte Andrei Lankov, einer der renommiertesten Nordkorea-Experten, über den nun toten Kim Jong-nam: "Dieser übergewichtige Playboy in Macau hat die höchsten Chancen auf ein langes Leben." Während seine Geschwister in Nordkorea bei einem Zusammenbruch des Regimes früher oder später einen gewaltvollen Tod zu fürchten hätten, könne er in der sicheren Ferne irgendwann seine Memoiren schreiben.

Schwarzes Schaf

Der erstgeborene Sohn von Kim Jong-il galt von jeher als schwarzes Schaf der Familie, der mit seinen Frauengeschichten, Alkoholexzessen und ausschweifendem Lotterleben immer wieder ein gefundenes Fressen für internationale Boulevardmedien war.

Sein prominentester Fauxpas ereignete sich bereits im Jahr 2001: Damals wurde der Kim-Sprössling dabei erwischt, wie er mit einem gefälschten Reisepass der Dominikanischen Republik nach Tokio einreisen wollte. Der Grund seines illegalen Trips: ein geplanter Familienausflug ins japanische Disneyland. Es sei ganz normal für die Elite des Landes, mit gefälschten Dokumenten ins Ausland zu reisen, kommentierte Jong-nam später lapidar. Dennoch markierte der Vorfall den entscheidenden Wendepunkt in seinem Leben.

Zuvor galt der Nordkoreaner schließlich als Thronfolger für den Diktatorensessel in Pjöngjang. Nun jedoch wurde er von seiner Familie verstoßen und führte ein – von der chinesischen Regierung überwachtes – Exilleben in Macau. Das sei der freieste und liberalste Ort in der Nähe seiner Heimat, begründete er später die Wahl seines Wohnsitzes. Zuletzt sei er zwischen Singapur, Malaysia und Frankreich zu seinen Geliebten hin und hergereist.

In der Öffentlichkeit vor allem für seine hedonistischen Eskapaden verspottet, hat sich Kim Jong-nam jedoch auch immer wieder öffentlich kritisch gegenüber dem Regime seiner Familie geäußert. Die Erbmonarchie bezeichnete er als "großen Witz", er sprach sich für eine wirtschaftliche Öffnung des Landes aus und prognostizierte, dass Nordkorea unter der Führung seines Bruder Jong-un nicht mehr lange überleben würde.

Aus einer zufälligen Begegnung mit einem japanischen Journalisten der Tokyo Shimbun auf dem Pekinger Flughafen entstand eine siebenjährige E-Mail-Korrespondenz. Darin Jong-nam: "Nach meiner Bildung in der Schweiz habe ich mich weiter von meinem Vater entfremdet, weil ich auf Marktreformen gepocht habe. Das hat mich verdächtig gemacht."

Scharfe Kritik

Sein Sohn, der an einer bosnischen Schule in Mostar unterrichtet wurde, ging noch einen Schritt weiter: Im finnischen Fernsehen prangerte er 2012 die Menschenrechtsverletzungen von Pjöngjang an und sprach sich für eine Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel aus.

Die Meldung von Kim Jong-nams Tod deutet auf innere Unruhe im Führungszirkel in Pjöngjang hin: Bereits am 3. Februar wurde der Minister für Staatssicherheit, der als rechte Hand von Kim Jong-un gilt, wegen angeblicher Korruption entlassen. Im Jahr 2013 hat Kim Jong-un seinen Onkel und politischen Mentor, Jang Seong-thaek, hinrichten lassen. Dieser hätte laut staatlicher Nachrichtenagentur einen Putsch geplant. (Fabian Kretschmer aus Seoul, dpa, 14.2.2017)