Die Diskussion über den umstrittenen Lobautunnel ist entschieden. "Der Tunnel wird kommen", sagt der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) im Interview mit dem STANDARD. Mit der Asfinag sei alles geklärt, auch die Finanzierung sei auf Schiene. Der grüne Koalitionspartner hat sich vehement gegen den Tunnel unter dem Nationalpark ausgesprochen und wollte bis Ende 2016 Alternativen präsentieren – was bis dato aber nicht passiert ist.

Laut Häupl ist beim Milliardenprojekt Krankenhaus Nord mit einem weiteren Kostenanstieg zu rechnen. Der Konkurs einer Fassadenfirma "hat de facto alle finanziellen Reserven gefressen". Häupl geht davon aus, dass das Spital "vor der nächsten Gemeinderatswahl 2020 eröffnet wird". Bisher wurde von einer Vollinbetriebnahme 2018 ausgegangen.

STANDARD: Die Bundesregierung hat sich auf ein Paket für den Neustart geeinigt. Sind damit für Sie Neuwahlen vom Tisch?

Häupl: Das ist schwer zu beurteilen. Die Adaptierung des Regierungsprogramms ist, was Inhalt und Tempo anbelangt, sehr vernünftig. Es gibt aber auch Themen, die mir fehlen, etwa die Novellierung des Mietrechts. Das wäre etwas, das dringlich ansteht und für Städte sehr relevant ist. Ein wesentlicher Punkt dabei sind die Zuschläge. Sie sind extrem unübersichtlich, willkürlich und ungerecht. Das sind die wirklichen Preistreiber in dem Sektor, der dem Mietrecht unterliegt. Aber unterm Strich: Ich bin zufrieden. Jetzt geht es darum, dass man das Paket umsetzt.

STANDARD: SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler strebt auf Bundesebene eine Mehrheit mit Grünen und Neos an. Was sagen Sie zu der Festlegung?

Häupl: Ich soll den Bundesgeschäftsführer kommentieren? Ich werde den Teufel tun. Ich bin grundsätzlich der Meinung, über Koalitionsbrücken geht man erst, wenn man davorsteht.

STANDARD: Wie beurteilen Sie diesen frühen Vorstoß?

Häupl: Gar nicht.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hält sich über einen weiteren Umbau in der Stadtregierung bedeckt: "Alles ist möglich. Nix ist fix."
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Wäre das für Wien eine Variante?

Häupl: Wir haben ja Rot-Grün. Das ist auch okay. Ich bin grosso modo zufrieden. Wir sind zwei verschiedene Parteien, die nicht völlig gleich denken und nicht immer gleich ticken. Darum gibt es manchmal mehr Diskussionsbedarf, manchmal weniger.

STANDARD: Seit einiger Zeit gibt es innerhalb der Wiener SPÖ heftige Konflikte. Sie haben eine Art Mediationsgruppe eingerichtet. Wie geht dort die Arbeit voran?

Häupl: Es ist eine Perspektivengruppe, und sie funktioniert. Am Ende des Tages, das ist spätestens der Landesparteitag am 29. April, wird es Lösungen geben.

STANDARD: Umfassen sie einen weiteren Umbau der Stadtregierung?

Häupl: Alles ist möglich. Nix ist fix.

STANDARD: Steht er im Raum?

Häupl: Ich werde das für mich behalten. In der Vertrauensgruppe wird über anstehende Themenfelder gesprochen. Ich halte es auch nicht für unkeusch, dass man einen 67-Jährigen, der bald 23 Jahre im Amt ist, fragt, wie es weitergeht. Das halte ich für legitim. Man hätte es etwas höflicher und respektvoller machen können. Auch in diesem Punkt werden wir Klarheit schaffen.

STANDARD: Was sagen Sie den Genossen Christian Deutsch, Gerhard Schmid und Harald Troch, die Ihnen den Rücktritt nahelegen?

Häupl: Wir haben etwa 50.000 Mitglieder. Drei, davon zwei ehemalige Hauptamtliche, haben dieses Ansinnen an mich gestellt. Ich nehme es zur Kenntnis.

STANDARD: Sie kandidieren beim Parteitag im April als Parteivorsitzender. Rechnen Sie mit einem Gegenkandidaten?

Häupl: Möglich ist alles. Ich halte das aber nicht für ein Unglück. Aber ich halte das Bild für komisch, ich solle meine Nachfolge benennen. Das ist das Prinzip des Erbhofbauern.

STANDARD: Die Landeshauptleute Erwin Pröll und Josef Pühringer haben angekündigt zurückzutreten. Hermann Schützenhöfer hingegen will im Jahr 2020 erneut antreten. An wen wollen Sie sich eher halten?

Häupl: Das ist meine Entscheidung.

STANDARD: Der Bund hat sich auf ein Integrationspaket mit Verschärfungen und Sanktionen verständigt. Ist das der Wiener Weg?

Häupl: Ich halte das, was von Staatssekretärin Muna Duzdar ausgehandelt wurde, für sehr gut. Wie in allen Bereichen gibt es einen Punkt, der mir nicht wirklich zentral erscheint. Das ist das Verschleierungsverbot.

STANDARD: Warum hat die SPÖ dem überhaupt zugestimmt?

Häupl: Weil man nicht alles andere wegschmeißen will. Wenn man in einer Koalition Verhandlungen führt, dann kann man nicht davon ausgehen, dass man immer 100 Prozent kriegt.

STANDARD: Mehr als jeder fünfte Mindestsicherungsbezieher ist mittlerweile Asylberechtigter. Hat Wien die Situation im Griff?

Häupl: Zur Stunde schon. Es ist eine Herausforderung. Die Leute gehen dorthin, wo es bereits Communitys gibt, also in die große Stadt. Das ist viel wichtiger als die Mindestsicherung.

STANDARD: 700 Millionen Euro sind heuer für die Mindestsicherung budgetiert, geht sich das aus? 2016 wurden 130 Millionen nachdotiert.

Häupl: Das ist nicht der Punkt. Denn die Zahl der Bezieher ist nicht einfach steuerbar. Wenn nötig, wird nachdotiert. Entscheidend ist unser Bemühen, diese Menschen in Arbeit zu bringen. Eine funktionierende Arbeitsmarktpolitik ist die beste Sozialpolitik.

In Wien gilt jeder Bau mit einer Höhe von mehr als 35 Metern als Hochhaus. "In anderen Städten ist das die Höhe einer Hundehütte", sagt Bürgermeister Michael Häupl in Bezug auf das Hochhausprojekt am Heumarkt-Areal.
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Wann ringt sich Rot-Grün zu einer Reform der Mindestsicherung durch?

Häupl: Das ist weitgehend erledigt. Jetzt ist noch zu verhandeln, wie hoch und wo der Anteil an Sachleistungen liegt. Wir sind ja beide keine Sozialabbauer. Ich mache keinen Druck. Wir haben ja auch jetzt ein gültiges Gesetz, mit dem können wir arbeiten.

STANDARD: Gibt es eine Regelung, den Zuzug aus den anderen Bundesländern einzuschränken?

Häupl: Das wäre die Residenzpflicht gewesen. Aber sie wurde von der ÖVP abgelehnt.

STANDARD: Hunderte Architekten und Künstler sprachen sich gegen das Hochhausprojekt auf dem Heumarkt-Areal aus. Stehen Sie weiter hinter dem Turm?

Häupl: Ich halte es für vernünftig. Dass ein Hochhaus von 66 Metern absolut verwerflich sein soll und der nahe gelegene Justizturm mit 83 Metern nicht, das kann ich nicht nachvollziehen.

STANDARD: Das sind die Argumente der Unesco. Es wird mit einer Aberkennung des Weltkulturerbes gedroht. Könnten Sie damit leben?

Häupl: Natürlich freut mich das nicht. Die Höhe des Hochhausturms ist deutlich reduziert worden. Und jetzt? Ich bin dafür, dass wir Herr in unserem eigenen Haus bleiben. Sonst soll sich der Chef von Icomos auf meinen Sessel setzen und die Stadt führen.

STANDARD: Ihr Ex-Planungsstadtrat Rudolf Schicker hat 2008 im Gemeinderat gesagt, dass die Stadt "nie und nimmer beabsichtigt, diesen Platz für Hochbauten irgendwelcher Natur freizugeben". Wieso wird nun ein Hochhaus gebaut?

Häupl: Er ist ein international sehr erfahrener Architekt und Raumplaner, der unter einem 66 Meter hohen Turm nicht unbedingt ein Hochhaus versteht.

STANDARD: Alles mit mehr als 35 Metern gilt als Hochhaus.

Häupl: Bei uns ist das so. In anderen Städten ist das die Höhe einer Hundehütte.

STANDARD: Wird der Lobautunnel gebaut?

Häupl: Ja.

STANDARD: Definitiv?

Häupl: Ich wüsste nicht, wie man das Stauproblem sonst lösen kann. Es geht nicht, dass man eine Brücke über den Nationalpark baut. Aber es braucht einen Autobahnring um Wien. In der Zwischenzeit ist auch alles geklärt mit der Asfinag. Auch die Finanzierung ist auf Schiene. Mein Commitment gibt es. Die Grünen wollen am liebsten nicht darüber reden. Von mir aus reden wir auch nicht darüber. Ich habe gesagt: Macht einen Vorschlag. Ich habe bis heute keine Alternative gehört.

STANDARD: Der Tunnel kommt?

Häupl: Der Tunnel wird kommen, so kann man das sagen.

Das Krankenhaus Nord wird wohl verspätet in Vollbetrieb gehen. Geplant war einst 2018, Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) rechnet nun mit einer Eröffnung "vor der nächsten Gemeinderatswahl 2020".
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Sie können sich ein Alkoholverbot auf Wiener Bahnhöfen vorstellen. Wie soll das aussehen?

Häupl: Ich habe eine Diskussion aufgemacht. Man soll sich das Ergebnis des Versuchs am Bahnhof in Dornbirn anschauen und faktenbasiert darüber reden.

STANDARD: Sozialstadträtin Sandra Frauenberger und Drogenkoordinator Michael Dressel sprechen sich aber dagegen aus.

Häupl: Sie sind nicht generell dagegen. Sie haben sich dafür ausgesprochen, dass kein Alkohol in den Geschäften angeboten wird.

STANDARD: Laut ihnen würde ein Verbot das Problem nur verlagern.

Häupl: Das stimmt. Sie haben gesagt, dass ein Alkoholverbot auf Bahnhöfen einen Verdrängungsprozess einleitet. Die Bahnhöfe sollen aber nicht von zwei Prozent der Leute in Beschlag genommen werden können, die betrunken herumhängen und Leute belästigen.

STANDARD: Was ist Ihre Lösung für Supermärkte wie am Praterstern? Ist ein Verkaufsverbot Thema?

Häupl: Die Diskussion gab es auch beim Schwedenplatz, ob bei Tankstellen auch Supermärkte dabei sein sollen, die Alkohol verkaufen. Die Diskussion muss man angehen. Ich hoffe auf eine Lösung vor dem Sommer.

STANDARD: Wann wird das Krankenhaus Nord in Betrieb genommen, und wird es mit KAV-Generaldirektor Udo Janßen eröffnet?

Häupl: Das sind Fragen, die man an die Gesundheitsstadträtin zu richten hat. Das Krankenhaus Nord muss zeitgerecht fertig werden. Primär deshalb, weil das Otto-Wagner-Spital abgesiedelt wird.

STANDARD: Wird noch ein Kostenanstieg befürchtet? Zuletzt wurden die Kosten im November 2015 mit 1,1 Milliarden Euro beziffert.

Häupl: Das mag sein. Ein Kostentreiber war die Frage des Konkurses der Fassadenfirma. Das Problem hat de facto alle finanziellen Reserven gefressen.

STANDARD: Wann wird es die Vollinbetriebnahme geben?

Häupl: Ich gehe davon aus, dass es vor der nächsten Gemeinderatswahl 2020 eröffnet wird.

STANDARD: Zuletzt wurde das Jahr 2018 genannt. Gibt es da auch keinen Druck Ihrerseits?

Häupl: Einen sachlichen Druck gibt es, weil wir Abteilungen aus anderen Spitälern hinsiedeln. Gleichzeitig müssen wir uns Klarheit verschaffen, was mit dem Otto-Wagner-Spital geschieht.

STANDARD: Das Nachnutzungskonzept für das Areal wurde aber noch immer nicht veröffentlicht. Für 160 Wohnungen auf dem Areal wurden aber bereits erste Baumschlägerungen vorgenommen.

Häupl: Mit Jahresende müssen wir das abschließen. Mir gefällt ja das Konzept einer wissenschaftlichen Nachnutzung. (Oona Kroisleitner, David Krutzler, 16.2.2017)