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Bei Kindern und älteren Menschen wirkt die Grippeimpfung weniger gut als beim Durchschnitt.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nur 46,9 Prozent der Menschen zwischen 15 und 64 Jahren, die sich diesen Winter gegen Grippe haben impfen lassen, sind wirklich vor der aktuell zirkulierenden Influenza geschützt, in der Hochrisikogruppe der Menschen ab 65 Jahren wirkt der Impfstoff nur bei 23,4 Prozent. Forscher kommen deswegen in einer europaweiten Fall-Kontroll-Studie zu dem Schluss: Die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen die saisonale Influenza ist wie in den vorherigen Wintern "suboptimal".

Die Ergebnisse, von denen manche allerdings aufgrund zu geringer Fallzahlen nicht statistisch signifikant sind, wurden in der Fachzeitschrift "Eurosurveillance" vom European Centre for Disease Prevention and Control publiziert.

"Selbst wenn weniger als die Hälfte der Geimpften vor einer Erkrankung mit Influenza geschützt ist, kann aufgrund der Häufigkeit von Influenza-Erkrankungen durch die Impfung eine große Zahl an Erkrankungen verhindert werden. Daher bleibt die Influenza-Impfung die beste Präventionsmaßnahme auf Bevölkerungsebene, um das Risiko von Erkrankungen zu vermindern", heißt es dazu vom deutschen Robert-Koch-Institut.

"Auch wenn die Impfeffektivität nur 41 Prozent für alle Altersgruppen zusammen beträgt, sind das bessere Voraussetzungen, als ganz ohne Impfschutz zu sein", sagt Hedwig Roggendorf, Verantwortliche der Impfsprechstunde am Klinikum rechts der Isar in München.

Komplexe Interaktion

Dass gerade bei Hochrisikogruppen wie Kindern und älteren Menschen der Influenza-Impfstoff weniger gut wirkt als im Durchschnitt, hat verschiedene Gründe, sagt Eberhard Hildt, Leiter der Abteilung Virologie am deutschen Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Die Immunantwort auf Impfungen und Infektionen entstehe durch eine komplexe Interaktion zwischen angeborener und erworbener Immunität, spezifischer Antikörperbildung und zellbasierter Immunantwort.

"Die Stärke der kindlichen Immunantwort hängt unter anderem vom Alter des Kindes ab. Das kindliche Immunsystem ist von Geburt an vollständig angelegt, aber noch unreif. In den ersten sechs Monaten wird die kindliche Immunantwort außerdem von den noch zirkulierenden maternalen Antikörpern (das sind jene, die das Kind über die Muttermilch erhält), welche die Wirksamkeit der Grippeimpfung einschränken", so Hildt. Mit zunehmender Reife des Immunsystems werde bei älteren Kindern dann auch die Immunantwort stärker. "Im Alter kommt es dann wieder zu einer sowohl qualitativen als auch quantitativen Abnahme der Immunantwort (Immunoseneszenz)."

Die Immunantwort wird aber nicht nur durch das Altern, sondern auch durch Erkrankungen oder durch Einnahme immunsupprimierender Medikamente beeinflusst. Aufgrund der Immunschwäche kann es dann zu einer eingeschränkten oder fehlenden Immunantwort nach der Impfung kommen. Eine Schwäche des Immunsystems bedeutet aber auch, dass im Fall einer Infektion (mit Influenzaviren) das Risiko eines schweren, unter Umständen tödlichen Krankheitsverlaufs zunimmt. "Daher wird die Impfung gegen Influenza, trotz des eingeschränkten Schutzes, unter anderem für Personen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten, Personen ab 60 Jahren und für Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens empfohlen", sagt Hildt.

Saisonale Wirksamkeit

Die saisonale Wirksamkeit von Influenza-Impfstoffen hängt von mehreren Komponenten ab, unter anderem von der Übereinstimmung der Impfstoffe mit den zirkulierenden Viren, der Epidemiologie der zirkulierenden Stämme und deren genetischer Variabilität. Deswegen ist die Wirksamkeit von Influenza-Impfstoffen oft schwer vorhersehbar.

Ein Beispiel für eine historisch schlechte Wirksamkeit wird für den H3N2-Stamm in der Saison 2014/2015 beschrieben. In jener Saison zirkulierten hauptsächlich Influenzaviren vom Subtyp H3N2. Entgegen den Vorhersagen veränderte der zirkulierende Stamm seine antigenen Eigenschaften und stimmte nicht mehr mit der im Impfstoff enthaltenen H3N2-Komponente überein. Die Wirksamkeit des Impfstoffes lag bei unter zehn Prozent. "Als H3N2-Impfstamm wurde damals das Virus A/Texas/50/2012 verwendet, die zirkulierenden Viren entsprachen aber in ihrer Antigenizität dem Stamm A/Switzerland/9715293/2013", erklärt Hildt.

An der Lösung dieses Problems wird geforscht. Wissenschafter arbeiten an der Herstellung eines sogenannten Universalimpfstoffs, der aus den wenig variablen Bestandteilen des Virus hergestellt werden soll, das heißt der Stamm-Region des Hämagglutinins und der Neuraminidase oder im M2-Protein, das sich ebenfalls in der Virusmembran befindet. "Damit wäre möglicherweise das Problem des jährlich neu herzustellenden Impfstoffes, die jährliche Impfung und der oft unbefriedigende Impfschutz zu lösen", sagt Roggendorf.

Versäumte Impfung nachholen

Trotz der suboptimalen Wirksamkeit empfehlen die Experten dennoch, nicht auf eine Impfung zu verzichten. Um rechtzeitig geschützt zu sein, wird empfohlen, sich bereits vor Beginn der Grippesaison – in den Monaten Oktober oder November – impfen zu lassen. Allerdings kann es auch zu Beginn und im Verlauf der Grippewelle noch sinnvoll sein – abhängig vom individuellen Risiko –, eine versäumte Impfung nachzuholen. Schließlich ist nie genau vorherzusagen, wie lange eine Influenza-Welle andauern wird.

Weil das Risiko einer Ansteckung vor allem bei Massenveranstaltungen, etwa im Fasching, gegeben ist, ist eine Impfung auch zum jetzigen Zeitpunkt noch sinnvoll, so die Experten. (red, 22.2.2017)