Spar-Chef Gerhard Drexel: "Schiedsgerichte können alle Standards aushebeln, die uns hoch und heilig sind, und dann gnade Gott."

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STANDARD: Im Lebensmittelgeschäft bahnt sich ein Massensterben an, jede zweite Filiale soll Studien zufolge dem Onlinehandel zum Opfer fallen. Wird Ihnen da mulmig?

Drexel: Glauben Sie diesen Studien nicht, das ist Geschäftemacherei der Berater und IT-Konzerne, um Aufträge zu bekommen. Keiner kann voraussagen, was in zehn Jahren sein wird. Hat jemand den Fall der Berliner Mauer, den Niedergang der Sowjetunion oder den Brexit vorhergesehen? Klar wird es Umwälzungen geben, aber keine so düsteren wie prognostiziert.

STANDARD: Was, wenn Amazon im großen Stil Geschmack daran findet?

Drexel: Amazon Fresh wird vermutlich in Berlin starten. Da geht es nur um große Metropolen. Bisher machen die Onlineumsätze weniger als ein Prozent des Volumens im Lebensmittelhandel aus, und sie werden in den kommenden fünf bis zehn Jahren sicher im einstelligen Bereich bleiben. Österreich hat nach Norwegen die höchste Ladendichte in Europa. Um jeden Kreisverkehr sammeln sich bei uns die Supermärkte.

STANDARD: Was ja für eine Bereinigung sprechen würde.

Drexel: Bereinigung hat es immer gegeben und wird es immer geben. Lebensmittel werden sehr oft spontan gekauft. Der Anreiz, dies online zu tun, ist, von Getränkekisten abgesehen, gering. Künftig wird der stationäre Handel seine Geschäfte noch lebendiger, noch attraktiver machen, um Kunden anzuziehen.

STANDARD: Hat die Steuerreform die Kaufkraft in Österreich gestärkt?

Drexel: Der Effekt war gering. Der Lebensmittelhandel ist 2016 nominal um 1,9 Prozent, inflationsbereinigt nur um ein Prozent gewachsen. Wir schafften mit plus 5,3 Prozent unsere eigene Firmenkonjunktur. Auch flächenbereinigt wuchs Spar um vier Prozent und unser Marktanteil von 30,2 auf 31,3 Prozent.

STANDARD: Sie zählen als Händler zu den größten Lebensmittelproduzenten des Landes. Angesichts des Sterbens kleiner Bäcker und Fleischer – warum mischt sich Spar so vehement in ihre Geschäfte ein?

Drexel: Es gibt für jeden unserer Eigenproduktionsbetriebe einen triftigen Grund. Als Tann 1963 gegründet wurde, gab es wenige leistungsfähige Fleischerzeuger. Eine Kaffeerösterei hatten früher beinahe alle Händler, heute sind wir die Einzigen in Österreich. Als Bäcker erzeugen wir ja nur einzelne Sorten und lassen uns ansonsten von mehr als 500 regionalen Betrieben beliefern.

STANDARD: Sie legten sich mit den Wettbewerbshütern an, führen mit der "Kronen Zeitung" eine gemeinsame Fehde gegen die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta. Und jetzt machen Sie gerade gegen Zucker mobil. Warum sind Sie eigentlich ständig im Kampfmodus?

Drexel: Wir sind nicht im Kampfmodus, sondern tragen gesellschaftliche Verantwortung. Und wir haben das Privileg, ein privates Familienunternehmen zu sein. Wir sind keinen Lobbyverbänden ausgesetzt, sondern nur unseren Kunden verpflichtet. Das Gefährlichste bei TTIP sind im Übrigen die Schiedsgerichte: Sie können alle Standards aushebeln, die uns hoch und heilig sind, und dann gnade Gott.

STANDARD: Es ist weder Aufgabe von Lebensmittelketten noch von Medien zu kampagnisieren.

Drexel: Wir sehen uns als Konsumentenschützer. Greift eine Zeitung das auf, freut uns das natürlich.

STANDARD: Zurück zur Bundeswettbewerbsbehörde: Sie mussten sich nach einem Verfahren rund um Bestimmung zum Amtsmissbrauch zu 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit verpflichten. Wie weit ist es damit gediehen, und wo arbeiten Sie?

Drexel: Es gab hier keinen Schuldspruch und kein Urteil, sondern eine diversionelle Erledigung. Ich erklärte mich bereit, 120 Stunden Sozialarbeit zu leisten. Das ist eine schöne Aufgabe. Spar Österreich ist ein sozial eingestelltes Unternehmen, dann kann es kein Fehler sein, leistet der Chef einige Stunden Sozialarbeit. Da bleibt man als Manager geerdet und den Menschen verbunden. Bitte um Verständnis, dass ich Details dazu erst nenne, wenn die Arbeit gänzlich abgeschlossen ist.

STANDARD: Bei Spar haben drei Familien mehrheitlich das Sagen. Lässt sich ein Konzern über Generationen friktionslos zusammenhalten?

Drexel: Mit diesem Thema ließen sich Uniseminare bestreiten. Es kommt wie immer auf die Konstellation der Leute an. Wir sind alle unterschiedlich, vertragen und ergänzen uns aber sehr gut, achten auf unsere Unternehmenskultur wie auf einen Augapfel. Und wir rekrutieren unsere Führungskräfte aus den eigenen Reihen. Das ist für Nachwuchskräfte ein gutes Signal, und fürs Unternehmen geht kein Wissen verloren.

STANDARD: Das klingt nach einem Erbrecht auf die Nachfolge.

Drexel: Nein, das steht nirgendwo geschrieben. Bisher hat sich aber alles gut gefügt. Wir haben hohe Kontinuität im Management und einfach Glück gehabt. (Verena Kainrath, 24.2.2017)