Foto: Rote Nasen

Die rote Nase hilft Manfred Unterluggauer, mit den Patienten der Reha-Station in Bad Häring in Kontakt zu kommen – "auf der Schmähebene".

STANDARD: Menschen im Krankenhaus fühlen sich nicht gut, die meisten haben Schmerzen und Angst. Wie reagieren Patienten, wenn ein Clown ins Krankenzimmer kommt?

Unterluggauer: Total unterschiedlich. Ich habe auf Kinderstationen gearbeitet, da ist es überhaupt kein Problem, in Kontakt zu kommen. Auch wenn sie krank sind, sind Kinder immer noch sehr lebendig und lassen sich schnell verführen. Erwachsene sind eine größere Herausforderung. Wenn sie krank sind, haben sie kaum Energie.

STANDARD: Auch weil sie Clowns zu kindisch für ihr Alter finden?

Unterluggauer: Zum Beispiel. Oder auch weil jemand, der gerade ein Bein bei einem Autounfall verloren hat und nun damit zurechtkommen muss, wohl erst einmal denkt: "Was soll ich mit dem Clown, ich habe echt andere Probleme."

STANDARD: Das stimmt ja eigentlich auch.

Unterluggauer: Trotzdem ist die Krankheit in dem Sinne ja nicht alles, was einen Menschen ausmacht. Ich arbeite auf der Reha-Station in Bad Häring. 90 Prozent der Patienten sind Männer, viele kommen nach einem schweren Unfall. Und natürlich sind sie gedanklich damit beschäftigt, mit ihrem Schicksal zurechtzukommen. Als Clown interessiere ich mich aber weniger für die Krankheit und mehr für den Menschen, den ich besuche. Ich komme als Gast, kann man sagen.

STANDARD: Welche Funktion haben dann die Verkleidung und die rote Nase?

Unterluggauer: Das verleiht uns die Kraft, anders sein zu können. Oft entsteht Kontakt auch auf einer nonverbalen Ebene. Als Clowns gehört auch Musik zu unserem Repertoire, Musik ist eine gute Kommunikationsebene. Über ein Lied kann eine gedankliche Reise beginnen. Unsere Verkleidung ermöglicht diesen Zugang.

STANDARD: Kommen die Roten Nasen regelmäßig zu Patienten?

Unterluggauer: Klar, wir arbeiten auf Stationen, auf denen Patienten längere Zeit verbringen. Wir sehen uns als Unterstützung des Betreuungsteams. Die Arbeitsbelastung wird für Spitalsangestellte immer größer, wir haben das, was oft fehlt, nämlich Zeit. Und so kann es sein, dass uns die Leute aus der Pflege bitten, einen Patienten zu besuchen, weil der gerade besonders deprimiert ist. Es ist Teamarbeit.

STANDARD: In Bad Häring wurde von Forschern der Universität Zürich gerade eine neue Studie bezüglich der Wirkung der Clowns durchgeführt – bei 46 Patienten zwischen 18 und 80 Jahren. Wie lief das ab?

Unterluggauer: Wir hatten immer dasselbe Setting: Zwei Reha-Patienten in einem Raum, einer wurde bespielt, der andere nicht. Die Studienleiter beobachteten, wie Menschen reagierten. Es war eine interessante Erfahrung. Und jetzt ist quasi belegt, dass Clowns Patienten heiter stimmen.

STANDARD: Humor ist aber nicht Humor. Was wirkt bei wem?

Unterluggauer: Es geht in unserem Beruf darum, authentisch zu sein. Denn so gelingt es uns, die Menschen zu berühren. Und das ist unser Ziel. Viele der Clowns bei den Roten Nasen arbeiten ja auch auf der Bühne. Da ist die Situation ganz anders als im Krankenzimmer, wo wir irgendwie Eindringlinge sind, Menschen in sehr intimen Situationen erleben. Ich überlege mir meine Rolle für jeden Patienten. Diese Feinfühligkeit ist eine Voraussetzung.

STANDARD: Und was würden Sie als einen gelungen Kontakt bezeichnen?

Unterluggauer: Wenn es mir gelingt, diese gewisse Schmähebene aufzubauen und über die Wochen aufrechtzuerhalten. Wir lernen ja auch die Familie und Freunde der Patienten kennen und werden so zu einem Teil ihrer Lebenswirklichkeit während der Reha. Wenn sich dann ein Motorradrocker, von dem ich nie gedacht hätte, dass er sich auf mich einlassen würde, über meinen Besuch freut und mir bei der Entlassung sogar dankt für meine Unterhaltung, dann sehe ich das als Erfolg. Es geht uns Clowns um Rührung und Berührung. (Karin Pollack, 28.2.2017)