Das Siegerprojekt des Stararchitekten Isay Weinfeld samt dem Turm des Anstoßes am Wiener Heumarkt.

Foto: isayweinfeld

Unlängst forderten an dieser Stelle Beate Meinl-Reisinger und Erhard Busek ("Welterbe ade – Wien kaputt?" in der STANDARD vom 15. 2.), die Entscheidung über das Heumarkt-Projekt den Wienerinnen und Wienern zu überantworten. Die direkte Demokratie soll die scheint's so verfahrene Situation lösen, in der den gewählten Vertreterinnen und Vertretern des Volkes nicht mehr zugetraut wird, dass sie ihre Aufgabe als Repräsentanten des Wahlvolks erfüllen können.

Die Sachlage ist bekannt. Der Turm des Wertinvest-Projekts am Heumarkt widerspricht den Unesco-Vorgaben. Der Weltkulturerbe-Status, 2001 erlangt, könnte verlorengehen. Tatsächlich wurden viele Fehler gemacht. In – man ist versucht zu sagen typischer – "Wiener Schlamperei" wurde es verabsäumt, bereits vor dem Start des internationalen Architekturwettbewerbs eine klare Position zu den Unesco-Vorgaben zu beziehen. Fraglos eine Durchschwindelaktion, allerdings keine unverständliche. Auf der einen Seite hatte und hat die Stadt ein Areal, bei dem Handlungsbedarf besteht. Bei wem Stimmung aufkommt, wenn er an einem lauen Sommerabend von der U4-Station Stadtpark kommend zum Konzerthaus spaziert, hebe die Hand. Wer glaubt, dass die Kassen der wachsenden Stadt Wien überquellen und sie mit links mit eigenen Mitteln eine Aufwertung des Areals finanzieren kann, hebe ebenfalls die Hand.

Auf der anderen Seite hatte die Stadt einen Investor vor sich, der sich bei den Verhandlungen zu den städtebaulichen Verträgen außerordentlich kooperativ zeigte. Michael Tojner hatte ein Grundstück mit enormem Potenzial und einigen Beschränkungen gekauft – darunter die nicht unwesentliche des Pachtvertrags mit dem Wiener Eislaufverein, der bis 2058 nicht kündbar ist und damit den Wert der Liegenschaft mindert. Kooperation mit der Stadt war dringend geboten.

Schwarz-Weiß-Bilder

Wir erleben nun seit einiger Zeit, wie sich in der Debatte um das Heumarkt-Areal verschiedene ideologische Konflikte vermischen. Grobe Schwarz-Weiß-Bilder werden gezeichnet: vom bösen kapitalistischen Investor, der schwachen, willfährigen Stadt, den edlen Bewahrern des Weltkulturerbes, der ohnmächtigen Stadtplanung. Ästhetische und linke, konservative und antikapitalistische Gegenstimmen vereinen sich zu einem denkwürdig einstimmigen wütenden Chor. Die Stimme der Vernunft ist wie immer leise. Die Vertreter des pragmatischen Kompromisses scheinen mit ihren aus dem Boden der Wirklichkeit gewachsenen Argumenten auf verlorenem Posten zu stehen.

Dass in bester zentraler Lage ein neuer öffentlicher Platz geschaffen wird, dass unmittelbar Betroffene wie der Eislaufverein, das Konzerthaus oder Eltern von Kindern aus den Schulen rundum sehr froh sind mit dem Planungsergebnis, dass endlich ein Durchgang zwischen Heumarkt und Lothringerstraße geschaffen wird – all diese sachlich erfreulichen Ergebnisse der Verhandlungen zu den städtebaulichen Verträgen werden von den Gegnern beiseitegewischt.

Größeres, Grundsätzlicheres

Es geht nicht um die Sache, es geht anscheinend um Größeres, Grundsätzliches. Es geht vielen nicht (mehr) um die Sache, sondern um prinzipielle Fragen: Wo darf die Stadt wachsen und sich verändern? Wo muss vertraute Identität erhalten bleiben? (Wobei sich die Gegenfrage aufdrängt: Wo sind uns die Stadtbildveränderungen anscheinend vollkommen egal? Wo bleibt der Aufschrei angesichts der dramatischen Veränderungen z. B. in der Donaustadt?) Darf die Stadt mit Investoren kooperieren, oder besteht ihre Aufgabe im Kampf gegen dieselben?

Dabei stellen die Projektgegner, ob bewusst oder unbewusst, Grundlagen der repräsentativen Demokratie nicht weniger infrage als die Populisten von rechts. Die Vertreter der Stadtregierung wurden unter anderem dafür gewählt, Hoheitsakte zu vollziehen. Die Umwidmung von Flächen ist ein solcher. So, wie das Projekt "Heumarkt neu" nun vorliegt, ist es das Ergebnis eines jahrelangen repräsentativ-demokratischen und auch partizipativen Prozesses – auf dem Weg wurden Fehler gemacht, es wurden aber auch Beteiligungs- und Vermittlungsverfahren in bisher nicht dagewesenem Ausmaß durchgeführt. Ja, es wäre sinnvoll gewesen, die Position der Stadt zum Weltkulturerbe vor dem Architekturwettbewerb 2014 klar darzustellen und zu kommunizieren. Ja, es wäre vielleicht sinnvoll gewesen, im Vorfeld dazu eine Volksbefragung mit gut aufbereiteten Pro- und Kontra-Argumenten abzuhalten.

Schlag ins Gesicht

Das jetzt am Planungsende zu tun, so wie Beate Meinl-Reisinger und Erhard Busek es vorschlagen, halten wir für einen Schlag ins Gesicht der repräsentativen Demokratie wie auch all jener, die sich in den Beteiligungsverfahren engagiert haben. Unsere gewählten Repräsentanten im Gemeinderat werden voraussichtlich noch vor dem Sommer über die Umwidmung des Heumarkt-Areals abstimmen.

Wie auch immer diese Abstimmung ausfällt: Das Ergebnis ist zu akzeptieren. (Barbara Ruhsmann, Jörg Wippel, 1.3.2017)