Derzeit bilden in Österreich über 28.000 Lehrbetriebe fast 107.000 Lehrlinge aus.

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Wien – Als die Beratungsorganisation 147 Rat auf Draht im Jahr 2015 ihre Studienergebnisse zu Cybermobbing in Schulen in den Händen hielt, herrschte Alarmstimmung: Etwa jede zweite Schülerin gab an, schon von Mobbing betroffen gewesen zu sein, bei den Burschen waren es 37 Prozent. Das passte gut ins Bild, das ein OECD-Bericht im selben Jahr gezeichnet hat: Jeder fünfte Schüler im Alter zwischen elf und 15 Jahren hatte demnach Bullyingerfahrungen gemacht, was Österreich bei der Studie den Spitzenplatz einbrachte.

Nun wollte Rat auf Draht wissen, wie sich die Mobbingsituation bei Lehrlingen darstellt, und befragte von Juli bis November des Vorjahres 816 Lehrlinge dazu. Mehr als die Hälfte waren männlich, jeweils ein Drittel war gerade im ersten, zweiten oder dritten Lehrjahr. Am Mittwoch präsentierte die bei SOS Kinderdorf angedockte Beratungsorganisation die Ergebnisse: Sie zeichnen ein deutlich positiveres Bild, als es in den Schulen aufgetreten war.

7,7 Prozent schon einmal Mobbingopfer

So gaben von den Lehrlingen lediglich 7,7 Prozent der Befragten an, Mobbingopfer gewesen zu sein. Zusätzlich waren 12,6 Prozent "nicht von Mobbing" betroffen, wurden "aber immer wieder mal verarscht und geärgert" – unter den Schülern hatte jeder Zweite angegeben, dass derlei in den vergangenen Monaten geschehen sei.

Konkret wurden Lehrlinge beschimpft und bloßgestellt, wie sie mitteilten. Bei einzelnen weiblichen Lehrlingen war auch sexuelle Gewalt ein Thema oder auch, bestohlen worden zu sein.

Ansprechpartner vorhanden

Rat-auf-Draht-Psychologin Elke Prochazka wies darauf hin, dass rund 70 Prozent angaben, eine Ansprechperson für Probleme zu kennen. Bei der Umfrage unter den Schülern war herausgekommen, dass viele eine geeignete Vertrauensperson vermissten.

Insgesamt ist die Zufriedenheit mit dem Lehrberuf sehr hoch: Maximale Zufriedenheit (100 Prozent) wiesen die Mechatronik-Lehrlinge auf, am wenigsten mit 70 Prozent die Zahntechniker. Allgemein fühlen sich rund 90 Prozent der Befragten am Lehrplatz wohl und empfinden ihr Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten als gut. Dennoch hatten zwei Drittel der weiblichen und 41 Prozent der männlichen Lehrlinge schon einmal überlegt, alles hinzuschmeißen. Veränderungswünsche betreffen zum Beispiel die striktere Einhaltung gesetzlich vorgegebener Arbeitszeiten oder den Wunsch, besser auf den Berufsalltag vorbereitet zu werden.

Bund stellte Offensive vor

In ganz Österreich bilden derzeit über 28.000 Lehrbetriebe fast 107.000 Lehrlinge aus. Jährlich kommen fast 33.000 neue Lehrlinge im ersten Jahr dazu. Beim AMS sind derzeit 3391 Lehrstellen offen. Die Bundesregierung hat sich eine Lehrlingsoffensive vorgenommen, die am Mittwoch von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bei einem Besuch der Siemens-Lehrwerkstätten in Wien vorgestellt wurde: Bis 2020 sollen 54 Lehrberufe auf die Anforderungen der Digitalisierung umgestellt werden, darunter etwa im Bereich Informationstechnologie und in der Fahrradmechatronik. Lehrlinge sollen künftig auch Fördergeld für Sprachkurse im Ausland erhalten.

Schon 2017 sollen acht neue beziehungsweise modernisierte Lehrberufsbilder entstehen, wie etwa beim Schwerpunkt "Digitaler Verkauf" im Einzelhandel. Ab 1. Juli werden für Lehrlinge zudem die vollen Kosten für alle Vorbereitungskurse auf die Lehrabschlussprüfung übernommen. (Gudrun Springer, 9.3.2017)