Kein Autor mag Verrisse. Aber ein Autor, der wegen eines Verrisses beleidigt ist, sollte sich einen anderen Job zulegen. Was aber kein Autor, und generell niemand, mag, ist, wenn man ihm Dinge in den Mund legt, die er nicht gesagt hat. Im ALBUM vom 4. März erschien ein "Scheininterview" des Rezensenten Bernhard Oberreither, das angeblich aus echten Zitaten aus meinem letzten Buch (Der Mann, der Luft zum Frühstück aß) stammen soll.

Das ging gründlich schief, da der Rezensent, um selbst ein Zitat zu gebrauchen, locker mit der Wahrheit, oder genauer gesagt mit der Lüge, umgegangen ist. Ein Beispiel: Auf die Frage, ob mein Buch ein Entwicklungsroman sei, antworte ich: "Im Gegenteil. Ich weiß bis heute nicht, was ein Schragl ist. Aber ich habe ein paar nützliche Dinge herausgefunden. Man könnte schon fast von einer Erleuchtung sprechen. Ich stellte unter anderem fest, als Nächstes entdeckte ich, es stellte sich heraus, ich stellte erstaunt fest, ich lernte dabei."

Nur zu gerne würde ich dieses Zitat in meinem Buch wiederfinden. Ich habe nachgeschaut. Es gibt es dort nicht. Auch die anderen Zitate sind derart willkürlich angelegt, dass man schnell erkennt: Der Rezensent kann weder mit dem Buch noch mit dem Autor etwas anfangen. Die wirklich interessante Frage lautet demnach: Warum hat der Rezensent nicht einfach einen Verriss verfasst und mit seinem Namen unterschrieben? Warum hat er diese provokante und risikoreiche Variante gewählt und sich hinter falschen Zitaten versteckt?

Die Antwort geht weit über einen zweifelhaften Charakter eines Rezensenten hinaus. Es sieht danach aus, dass unser digitales Online-Paradies immer mehr Individuen erzieht, die die Wahrheit von der Lüge nicht unterscheiden können oder nicht einmal wollen. Es sieht so aus, dass in unseren Köpfen jene Grenzen abgeschafft werden, die uns einst halfen, "gut" und "böse" zu unterscheiden. Besonders heute, da Lügen nur lange genug wiederholt werden müssen, um sich in Wahrheit zu verwandeln, muss man, auch wenn es nur um eine kleine Buchrezension geht, dagegenhalten.

Sonst wird bald jeder über jeden alles behaupten können, und wir landen in einer intellektuellen Steinzeit, in der nichts mehr eine Rolle spielt. Und dann könnte ich zum Beispiel über meinen Rezensenten behaupten: "Die, die es nicht können, die kritisieren es." Aber das gehört sich nicht. Dabei wäre dieses Zitat ausnahmsweise wirklich von mir. (Radek Knapp, Album 10.3.2017)