US-Schauspieler John Malkovich ist im Konzerthaus ein böser Diktator – allerdings einer mit vielen Facetten.

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Wien – Ein hinlänglich bekanntes Szenario: US-Soldaten dringen in einen "Schurkenstaat" ein, um den verhassten Diktator zur Strecke zu bringen. Der Ort des Geschehens freilich frappiert – ein Konzertsaal mitsamt riesiger Orgel, in dem Michael Sturminger die Handlung von Just Call Me God: A dictator's final speech ansiedelt. Es ist bereits die dritte Zusammenarbeit mit Star John Malkovich und dem Organisten Martin Haselböck, und sie befindet sich derzeit auf Tour. Zweimal war sie im Musikverein zu sehen – nein, das meinten nur die Soldaten: natürlich im Konzerthaus.

Denn Diktator Satur Diman Cha hat sich, während sein Fantasiestaat im Kriegschaos versinkt, in einen Wüstenbunker verschanzt, in den er auch einen originalgetreuen Nachbau des großen Saales integriert hat. Wie es der Zufall so will, werden die feindlichen Truppen von Reverend Lee Dunklewood begleitet, der ein begnadeter Orgelspieler ist.

Der szenische Rahmen mag ein wenig papieren wirken, doch das Setting funktioniert aus drei Gründen: Natürlich ist es erstens Malkovich, der den Abend mit psychologischer Tiefenschärfe trägt. Doch es ist zweitens auch der Inhalt gewichtig genug, um das Stück wirken zu lassen: Westliche Hegemonialansprüche werden nicht einfach angeprangert, doch lässt der Diktator Argumente hören, die auch seine Sicht immerhin kohärent erscheinen lassen – bei aller menschenverachtenden Brutalität. Drittens werden die Konsequenzen daraus gezogen, dass es sich nicht um ein Konzert mit einer szenischen Dimention handelt. Nachdem er alle anderen Männer aus dem Hinterhalt erschossen hat, befiehlt der Tyrann dem Musiker, zu spielen. Die Auszüge aus Werken Bachs, Wagners und Liszts sowie Eigenkompositionen Haselböcks münden mehr und mehr in die Liveelektronik von Franz Danksagmüller. Malkovichs Stimme verschmilzt mit diesen Klängen, sodass die Musik einen Funktionswechsel von erzwungener Behübschung zu dramatischer Verdichtung durchmacht und dabei sogar an Schmerzgrenzen geht.

Die Ausstattung (Renate Martin und Andreas Donhauser) ist ebenso sparsam wie Sturmingers Regieaktionen, das Eigentliche spielt sich ohnehin in den Personen ab: im zynisch-charmanten Diktator, dem durch eine von Sophie von Kessel verkörperte Journalistin ein ungeahnter Gegenpart erwächst, mit der sich ein Kampf auf Leben und Tod entwickelt, in dem der Spieß mehrfach umgedreht wird, ehe US-Verstärkung anrückt und den Bösewicht hinrichtet. Die beiden Hauptfiguren tragen die Spannung der Konstellation fulminant. Doch natürlich ist Malkovich der Brennpunkt des Ganzen: Virtuos spielt er auf der Gefühlsklaviatur seiner Kontrahentin und des Publikums, paart Grausamkeit mit Sanftheit und lässt dabei mit zärtlicher Kühle in Abgründe blicken, die zugleich jenseitig und menschlich wirken. (Daniel Ender, 13.3.2017)