Kanzler Christian Kern und Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (beide SPÖ) beim Besuch der Berufsschule für Haar- und Körperpflege.

Standard/Hendrich

Die Lehrlingsaubildung für Friseure dauert drei Jahre.

Standard/Hendrich

An der Wiener Berufsschule kann man auch eine Ausbildung zur Kosmetikerin machen.

Standard/Hendrich

Wien – Christian Kern besitzt keinen Kamm. Dieses "Geständnis" machte der Bundeskanzler am Dienstagnachmittag beim Besuch einer Berufsschule für Haar- und Körperpflege im 14. Bezirk in Wien. Er gehe "alle zwei, drei Wochen zum Friseur, das muss reichen", erzählte Kern den Schülerinnen und Schülern.

Friseurlehrlinge sollen künftig innerhalb ihrer dreijährigen Ausbildung sechzig Stunden mehr in der Berufsschule sitzen. Ein neuer Gesetzesentwurf des Bildungsministeriums sieht vor, dass alle Lehrlinge mindestens 1.260 Stunden die Schule besuchen müssen. Im Moment ist die Bandbreite sehr groß. So müssen laut APA etwa Obst- und Gemüsekonservierer die Berufsschule nur 800 Stunden lang besuchen, in anderen Sparten ist schon jetzt deutlich mehr Theorie gefordert, etwa in der Binnenschifffahrt mit 1.500 Stunden oder bei der Ausbildung in Gießereitechnik mit 1.620 Stunden.

"Lehre aufwerten"

Um diese Gesetzesänderung zu bewerben, besuchte Kanzler Kern gemeinsam mit Bildungsministerin Sonja Hammerschmid eine Berufsschule. "Eine gute Ausbildung braucht Zeit", sagte Hammerschmid in einer Diskussion mit den Schülerinnen und Schülern. Die neue Mindestanforderung bei den Stunden sei eine erste Maßnahme, um die Lehre aufzuwerten. Es gehe darum, der Lehre mehr Gewicht zu geben und sie zeitgemäß zu gestalten. Dazu sei sie auch im Gespräch mit Wissenschaftsministerium, Wirtschaftskammer und Sozialministerium. Kern betonte, die Lehre sei eine der Stärken des österreichischen Bildungssystems. "Ihr könnt stolz auf diese Ausbildung sein." Er sieht in der Aufstockung der Stunden eine Qualitätsverbesserung.

Skepsis bei der Wirtschaftskammer

Alfred Freundlinger, Referent für Lehrlinge in der Wirtschaftskammer, sieht das nicht ganz so. "Lehre und Berufsschule sind kommunizierende Gefäße, es ist nicht so, dass man nur in der Schule lernt und im Betrieb nicht", sagt er zum STANDARD. Die Vereinheitlichung der Ausbildungsstunden an der Berufsschule würde deshalb nicht unbedingt für mehr Qualität sorgen.

Für die Betriebe bedeutet die Änderung jedenfalls eine Umstellung. Zum Beispiel sind Friseurinnen derzeit in der Regel einmal pro Woche an der Berufsschule, wenn die Gesetzesänderung im Herbst in Kraft tritt, könnte das in manchen Fällen nicht mehr ausreichen. Freundlinger will das noch nicht kommentieren. Man werde sich mit den betroffenen Branchen besprechen und während des parlamentarischen Begutachtungsverfahrens eine Stellungnahme abgeben.

Betroffen von der Neuerung sind 110.000 Lehrlinge, 200 Lehrpläne wurden überarbeitet oder neu erstellt. Laut Bildungsministerium wird die Neuregelung nach Umstellung aller Jahrgänge auf das neue System 8,5 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr kosten, die Bund und Länder zu gleichen Teilen übernehmen. (Lisa Kogelnik, 15.3.2017)