Ćamil Duraković wirft Erdogan Missbrauch des Völkermordes vor.

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Sarajevo/Ankara – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bringt mit seinen verbalen Ausfällen im Streit mit den Niederlanden auch die bosnischen Muslime gegen sich auf. Er fühle sich durch die Äußerungen Erdoğans zum Srebrenica-Massaker beleidigt, sagte der frühere Bürgermeister der ostbosnischen Stadt, Ćamil Duraković. Der Bosniake warf Erdoğan vor, den Völkermord in Srebrenica zu missbrauchen.

Duraković betonte, dass Erdoğans Vorwürfe gegen die Niederlande auch faktisch nicht korrekt seien. "Wenn man die Tatsachen berücksichtigt, sind alle UN-Mitglieder gleichermaßen verantwortlich", wies er die Darstellung des türkischen Präsidenten zurück, die niederländischen UN-Soldaten seien Schuld an der Ermordung von 8.000 Bosniaken in Srebrenica im Juli 1995. Damals war die UN-Schutzzone von bosnisch-serbischen Truppen überrannt worden, die unbewaffneten niederländischen Blauhelme überließen den Serben die Stadt kampflos.

"Gewissen ist pechschwarz"

Erdoğan hatte am Dienstag gesagt, die Moral der Niederlande sei durch das Massaker von Srebrenica "gebrochen" worden. "Wie verdorben ihr Wesen und ihr Charakter sind, wissen wir daher, dass dort 8.000 Bosniaken ermordet wurden", sagte der türkische Präsident. "Niemand soll uns Lektionen in Zivilisation geben. Dieses Volk hat ein reines Gewissen. Aber deren Gewissen ist pechschwarz."

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte warf Erdoğan daraufhin eine "widerliche Geschichtsfälschung" vor. "Wir werden uns nicht auf dieses Niveau begeben. Es ist völlig inakzeptabel", sagte Rutte, der am Wochenende zwei türkischen Ministern Auftritte in seinem Land mit Einreiseverboten unterbunden hat, nachdem diese entsprechende Ersuchen ignoriert hatten. (APA, 15.3.2017)