Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und Katja Wagner, Geschäftsführerin der Beauty Bar.

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Wien – Acht Füße plantschen im lauwarmen Wasser, ehe es ans Feilen, Schneiden und Rubbeln geht. Die Kundinnen sitzen entspannt bei der Pediküre, während die Mitarbeiterinnen der Beauty Bar in der Wiener Innenstadt an diesem Mittwochvormittag wieder einmal der Hornhaut zu Leibe rücken. Ihre Chefin, Katja Wagner, gibt ein paar Meter weiter ein Interview. Es geht, wie könnte es anders sein, um Arbeitsbedingungen und Arbeitsrecht.

Wagner und ihre Beauty Bar stehen im Zentrum eines bizarren und sich zuspitzenden Streits darüber, wo in Österreich die Grenze verläuft, an der aus dem notwendigen Schutz von Arbeitnehmern unnötige Schikanen für Unternehmen werden.

Die Politik hat das Thema entdeckt. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner schlug zur Wochenmitte ein "Reformgespräch" zum Thema Arbeitnehmerschutz vor und lud Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) ein – der das Angebot laut seinem Büro annehmen möchte. Mitterlehner fordert eine Generalreform der Bestimmungen im Arbeitnehmerrecht und sprach von "überbordenden Vorschriften, Kontrollen und Strafen", die auf Unternehmen lasten.

Viele Mängel

Doch wo gibt es Reformbedarf im Arbeitsrecht? Die Suche nach Antworten beginnt in der Beauty Bar. Wie berichtet, hat das Arbeitsinspektorat dort im Zuge einer Prüfung im November 2016 zahlreiche Mängel festgestellt. Da diese bis Anfang März nicht behoben wurden, will der Arbeitsinspektor Strafanzeige bei dem zuständigen Wiener Magistrat gegen die Nailstogo GmbH einbringen. Die Firma, sie gehört zu 54 Prozent dem Wiener Anwalt Ramin Mirfakhrai und zu 46 Prozent Katja Wagner, betreibt drei Kosmetikstudios in Wien, darunter die Beauty Bar.

Der STANDARD bekam das jüngste Aufforderungsschreiben des Arbeitsinspektors an die Nailstogo zugeschickt. Nicht nur das fehlende Belüftungssystem im Kosmetikstudio wird kritisiert und die Tatsache, dass Notausgänge verstellt waren. Die Luft im Lokal ist am Mittwoch besser als in den meisten Wiener Büroräumen.

Bemängelt werden 15 Punkte, darunter, dass es zu wenige verschließbare Wertfächer für Mitarbeiter gibt, die Zahl der Wachsplätze zu gering sei, die Brüstung in der Galerie im Obergeschoß 8,5 Zentimeter zu niedrig sei. Kritisiert wird auch, dass es in den Umkleiden keine Kleiderkästen gibt, die Deckenhöhe unzureichend ist.

Unternehmer im Dschungel

Kurzum: Wer das Schreiben liest, bekommt den Eindruck, dass der Paragrafendschungel erdrückend ist. Ist das Arbeitsrecht also so überaltert? Wer mit Arbeitsinspektoren, Unternehmensvertretern und Juristen spricht, stellt fest, dass die Sache komplizierter ist. Oft kommt der Hinweis, dass der Fall der Beauty Bar eben nicht als exemplarisch für die Probleme in Österreich gelten dürfe.

Fest steht, dass extrem viele Vorgaben über Arbeitsstätten, Arbeitsmittel und Arbeitszeit existieren. Es gibt hunderte Regelungen, von der Höhe von Brüstungen bis zur Breite von Klotüren (70 Zentimeter). Doch der Wiener Arbeitsrechtler Martin Risak sagt, dass es ohne solche Vorgaben nicht möglich wäre, Unternehmen zwischen Vorarlberg und dem Burgenland einheitlich zu beaufsichtigen.

Die detaillierten Bestimmungen verhindern oft Willkürentscheidungen, sagt er. Das österreichische Recht sei zudem dadurch gekennzeichnet, dass Arbeitsinspektoren einen großen Spielraum bei der Auslegung von Vorschriften hätten. Diese Flexibilität verhindere häufig Konflikte.

Mit Verstand bei der Sache

Diese Einschätzung bestätigen Praktiker. "Wenn man mit Menschenverstand an die Sache herangeht, lassen sich in der Regel Probleme vermeiden", sagt der Wiener Arbeitsinspektor Peter Petzenka. Bei Bauvorschriften gebe es deshalb jede Menge Toleranzspielräume.

Auch Unternehmensvertreter sind nicht unzufrieden. "Wir können nicht sagen, dass alle Tage ein Unternehmen vor unserer Tür steht und sich über Schikanen beklagt", sagt Josef Witke von der Wiener Wirtschaftskammer. Im Regelfall lasse sich eine Frontenverhärtung mit Gesprächen vermeiden. Witke begrüßt die Initiative von Mitterlehner trotzdem. Veraltete Regeln zu suchen und Verbesserungen zu finden sei sinnvoll. Das sagt auch der Arbeitsrechtler Risak. Den großen Reformbrocken solle man aber nicht erwarten. Dafür funktioniere das System in Österreich zu gut.

Warum eskaliert dann der Konflikt bei der Beauty Bar? Hier steht Aussage gegen Aussage. Das Arbeitsinspektorat behauptet, dass man dem Kosmetikstudio mehr Zeit für die Behebung der Mängel gegeben hätte, es aber keine Kooperationsbereitschaft gab.

Der Haupteigentümer Mirfakhrai meint dagegen, dass er wegen der vielen Beanstandungen das Gefühl habe, man wolle seinen Betrieb nicht in Wien. 2016 habe sein Unternehmen nach Verlusten 2015 zwar Gewinn erwirtschaftet. Doch der Aufwand durch die Kontrollen erscheine ihm zu groß, als dass Nails togo in seiner heutigen Form weiterbestehen könne. Mirfakhrai kündigt Kündigungen an. Ob nicht noch ein Gespräch mit dem Arbeitsinspektorat hilfreich wäre? Mirfakhrai winkt ab. "Jemand hat denen eine Weisung erteilt, gegen uns vorzugehen." (András Szigetvari, 15.3.2017)