Sebastian Kurz in Malta.

Foto: APA/AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC

Valletta/Wien – Bei einem Besuch der Frontex-Mission im Mittelmeer hat Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) die Rettungsaktionen von Hilfsorganisationen im Mittelmeer scharf kritisiert. "Der NGO-Wahnsinn muss beendet werden", sagte Kurz am Freitag in Malta. Die Rettungsaktionen der NGOs führten dazu, dass mehr Flüchtlinge im Mittelmeer sterben würden anstatt weniger, so der Außenminister.

"Es gibt NGOs, die gute Arbeit leisten, aber auch viele, die Partner der Schlepper sind", meinte Kurz, der im Hafen von Valletta ein für die EU-Grenzschutzagentur Frontex eingesetztes Schiff der maltesischen Küstenwache bestieg, um sich ein Bild der Lage an der EU-Südgrenze zu machen.

Hilfsaktionen wehren sich

Auch Frontex kritisiert, dass die Helfer die Geschäfte krimineller Netzwerke und Schlepper unterstützen würden, indem sie die Migranten immer näher an der libyschen Küste auf europäischen Schiffen aufnähmen. Die immer schlechteren Gummiboote müssten von Libyen aus nur zwölf Seemeilen in internationale Gewässer gelangen, um dann einen Notruf abzusetzen, sagte Frontex-Direktor Klaus Rösler bei dem gemeinsamen Besuch mit Kurz auf Sizilien und Malta.

Hilfsaktionen weisen die bereits in der Vergangenheit geäußerte Kritik zurück und verweisen darauf, dass sie mit ihren Einsätzen tausende Menschen vor dem Ertrinken gerettet hätten. Dennoch sind laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im Vorjahr mehr als 4.500 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Seit Jahresbeginn wurden mehr als 500 Tote gezählt.

MSF und Rotes Kreuz üben Kritik

Mario Thaler, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen (MSF) Österreich, übt in einer Aussendung scharfe Kritik an den Aussagen des Außenministers: "Was wäre die Alternative – sollen wir uns zurückziehen, die Menschen sich selbst überlassen und noch größerer Gefahr aussetzen, nur um Menschenschmuggel schwieriger zu machen? Sollen wir die Menschen ertrinken lassen?" MSF sei weder die Grenzpolizei noch eine Organisation zur Schlepperbekämpfung, sondern wäre ausschließlich auf dem Mittelmeer unterwegs, um Leben zu retten, sagt Thaler. Er appellierte an Kurz, sich doch tatsächliche Lösungen für die Krise zu überlegen.

Der Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, Werner Kerschbaum, hat sich betroffen gezeigt. "Organisationen wie das Rote Kreuz kommen ihrer humanitären Verpflichtung nach und die ist es schlicht Menschenleben zu retten. Es gab mit Mare Nostrum eine großangelegte Rettungsaktion der EU. Diese wurde eingestellt", so Kerschbaum am Freitag in einer Aussendung.

Der Politik sei es nicht gelungen, die Fluchtbewegungen zu stoppen – die Lösung könne aber nicht sein, Menschen sterben zu lassen. "Jetzt jene dafür verantwortlich zu machen, die Flüchtlinge vor dem Ertrinken retten ist grotesk", sagte Kerschbaum.

Flüchtlingslager außerhalb der EU

Kurz plädierte erneut dafür, die im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge nicht mehr auf das italienische Festland zu bringen, sondern nach australischem Vorbild aufzuhalten und in Flüchtlingszentren außerhalb der EU zu bringen. "Wenn klar ist, dass man auf Inseln wie Lampedusa oder Lesbos gestoppt wird, dann macht sich innerhalb weniger Wochen kaum jemand mehr auf den Weg."

Die Aufgegriffenen sollen demnach in Auffanglager nach Nordafrika zurückgebracht werden. Dass diese in Tunesien oder Ägypten eingerichtet werden, sei wesentlich realistischer als in dem instabilen Bürgerkriegsland Libyen. Dazu brauche es den politischen Willen und Geld, sagt Kurz. "Ich habe den Eindruck, dass, wenn es ein entsprechendes Angebot der EU gäbe, diese Staaten bereit wären, mit uns zu kooperieren." Außerdem müsse das Frontex-Mandat gestärkt werden. "Es muss möglich sein, Boote zurückzudrängen. Boote müssen aktiv zerstört werden, und es muss proaktiver gegen Schlepper vorgegangen werden."

Schließung der Brennergrenze nicht ausgeschlossen

Sollte die Zahl der nach Österreich kommenden Flüchtlinge in den kommenden Monaten aufgrund der besseren Wetterverhältnisse deutlich steigen, schließt Kurz auch eine Schließung der Brennergrenze nicht aus. "Wenn das Weiterwinken nach Mitteleuropa stattfindet, wird immer die Frage des nationalen Grenzschutzes wieder aktuell werden." Das Ziel müsse aber sein, die EU-Außengrenze ordentlich zu schützen. Dann brauche es auch keine Grenzkontrollen innerhalb Europas.

Frontex ist mit der Mission Triton seit November 2014 vor der italienischen Küste im Einsatz. Mit Schiffen, Flugzeugen und Hubschraubern patrouillieren die Grenzschützer in italienischen und internationalen Gewässern bis 138 Seemeilen südlich von Sizilien – damit auch vor Malta –, nicht aber in libyschen Gewässern. In Malta kommen kaum mehr Flüchtlinge an, da es dort keinen Hotspot gibt und die im Mittelmeer geretteten Menschen nach Italien gebracht werden. (APA, 24.3.2017)