Das Bundesverwaltungsgericht hat die dritte Piste in Schwechat in einem überraschenden Urteil verboten. Argumentiert wurde mit Umweltbelastung.

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Der umstrittene Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts gegen den Bau der dritten Flughafenpiste ist um eine Facette reicher. Zwei der drei Richter sind nun selbst ein Fall für die Justiz, berichten "Kurier" und STANDARD. Sie seien aufgrund ihrer vergangenen Beschäftigung als Juristen im Umweltministerium und ihrer Nähe zu Umweltorganisationen befangen und hätten daher eine Entscheidung über das geplante Infrastrukturprojekt nicht fällen zu dürfen.

Entgegen einem Gutachten, welches die Freigabe des Baus der Piste unterstützen würde, entschied das Bundesverwaltungsgericht gegen das Projekt, weil die negativen Folgen des Klimawandels, insbesondere durch die hohe CO2-Belastung, höher zu bewerten sind als die positiven standortpolitischen und arbeitsmarktpolitischen Interessen am Bau. Auch der Vorschlag des Flughafens, großflächig Photovoltaikanlagen zu installieren und die Wagenflotte auf Elektroautos umzustellen, wurde als unzureichend qualifiziert.

Laut Verfassungsjurist Heinz Mayer war die Entscheidung des Senats, dem Gutachten nicht zu folgen, gut begründet. Die Vorgangsweise der Richter sei weder beispiellos, noch enthalte sie strafrechtlich relevante Mängel, erklärte Mayer dem ORF.

Klimawandel als Rechtsstreit

Dass sich Gerichte mit den genauen Ursachen und konkreten Auswirkungen des Klimawandels beschäftigen, ist relativ neu. So entschied ein niederländisches Gericht im Sommer 2015, dass der Staat die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 25 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren müsse, um seinen Beitrag zur Prävention der "Klimakatastrophe" zu leisten. Der Staat legte prompt Berufung gegen das Urteil ein: Klimapolitik sei ein Primat der Legislative, nicht der Judikative. Dass internationale Klimapolitik bislang geringen Erfolg hatte, sei keine Berechtigung für die gerichtliche Bestimmung von CO2-Obergrenzen.

Klimapolitische Zahlenspiele

Auch im Entscheid des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts gegen das Infrastrukturprojekt in Wien-Schwechat wird mit der Bedrohung Klimawandel argumentiert. Auch hier wird die Entscheidung angefochten werden. Für den Flughafen Wien ist die Entscheidung gegen die dritte Piste nämlich "juristisch und sachlich unhaltbar und falsch, und daher wird das Unternehmen gegen diese Entscheidung höchstgerichtlich außerordentliche Rechtsmittel einlegen". Das sachlich Unhaltbare und Falsche deutet bereits auf die Anfechtung der Berechnungen zur CO2-Belastung hin.

Gegner des Ausbaus argumentieren im Sinne des Urteilsspruchs, dass das erhöhte Flugaufkommen auf einer dritten Piste die CO2-Belastung erhöhen und somit die klimapolitischen Ziele Österreichs im Rahmen internationaler Verhandlungen infrage stellen würde.

Befürworter des Ausbaus wissen darauf zu antworten. Berechnungen, die im Streit um den Ausbau des Londoner Flughafen Heathrow durchgeführt wurden, zeigen, dass Emissionen theoretisch sogar eingespart werden können, da Flugzeuge auf einer weiteren Piste schneller landen und somit weniger CO2 ausstoßen würden. Ein Flugzeug, das Heathrow anfliegt, verbringt oft viele Minuten kreisend über dem Flughafen. Dieses Argument wurde bereits von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner aufgegriffen.

Ebenso vorstellbar sind Dispute um Definitionen wie jene von Klimabedrohung oder von "Klimakatastrophe". Und jene selbsternannten Skeptiker, die die Realität des Klimawandels leugnen oder die Unmöglichkeit eines endgültigen Beweises für den menschlichen Einfluss für ihre politischen Ziele nutzen, würden den Gerichten noch ganz andere Probleme bereiten.

Politisierung der Gerichte

Gerichte hätten in Zukunft zu entscheiden, was auch Wissenschafter nicht bestimmen können: wie viel CO2 ausgestoßen werden darf. Sollten die Richter des Bundesverwaltungsgerichts also tatsächlich befangen entschieden haben, dann nur, weil die politisch Verantwortlichen mit Blick auf die nächsten Wahlen dies bislang nicht wagten. Letztere scheinen zu hoffen, dass man volkswirtschaftliche und ökologische Interessen am Rechenblatt "optimieren" kann und dass Gerichte in diesem Sinne "unpolitisch" entscheiden werden. Dem ist nicht so.

Die Politisierung der Gerichte ist eine Konsequenz einer unzureichenden Verrechtlichung der Klimapolitik. Die unzureichende rechtliche Regelung macht es "notwendig", dass Gerichte politisch entscheiden. Im Übrigen wäre eine Entscheidung für den Ausbau der Piste ebenso eine politische. (Mathis Hampel, 6.4.2017)