Elisabeth Leopold vor einem Werk Anton Romakos: "Die Ausstellung mit Werken von Waldmüller bis Boeckl ergibt ein repräsentatives Bild der Kunst des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts."

Foto: Robert Newald

Wien – "Lauter Meisterwerke, lauter Genies", ebenso enthusiastisch wie kenntnisreich führt Elisabeth Leopold durch die von ihr kuratierte nicht sehr große, aber ausgesprochen elegante Landschaftsausstellung. Außer vielleicht ein paar wenigen Aquarellen kenne sie, natürlich, alle Werke der von ihrem Mann Rudolf Leopold angelegten Sammlung. Nun also in vier Räumen im Erdgeschoß Ölgemälde und Aquarelle etwa von Friedrich Gauermann, Anton Romako, Rudolf von Alt – "sicherlich der beste Aquarellist des Jahrhunderts" – Carl Moll, Emil Jakob Schindler, Kolo Moser, Rudolf Wacker, Josef Dobrovsky, Albin Egger-Lienz, Anton Faistauer. Nur Egon Schiele und Gustav Klimt fehlen, "die hängen sowieso oben. Trotzdem ergibt sich ein repräsentatives Bild der österreichischen Kunst des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Ich musste mich räumlich beschränken, aber ich bin ohnehin kein Freund von 15-Sälen-Ausstellungen. Perlen, in einem gewissen Abstand gehängt, können den Besuchern mehr sagen als eine zu große Dichte."

Und, ja bitte, man möge doch, sagt die 91-jährige zierliche und beneidenswert fitte Grande Dame des Leopold Museum immer wieder, nähertreten und das Augenmerk auf Details legen, auf den gekonnten Pinselstrich, auf die präzisen Licht- und Schattensetzungen, die feinen Nuancen im Grün der Berge, Büsche und Bäume: "Waldmüller malt das Licht. Man identifiziert ihn ja immer mit den lieben Mäderln. So ähnlich, wie die Erotik beim Schiele alles überdeckte, so ging es Waldmüller mit seinen lieblichen Genremalereien. Aber in Wirklichkeit ist er ein grandioser Landschaftsmaler und seiner Zeit weit voraus." Oder Boeckl, "den ich sehr verehre, obwohl er Schiele nicht leiden konnte. Er und mein Mann haben immer gestritten, bis mein Mann einmal gesagt hat: 'Heute reden wir einmal über was anderes, nicht über den Schiele'. Boeckl lebt mit der Farbe, schauen Sie nur! Das ist ein so unglaubliches malerisches Talent."

Die Schau ist für die ehemalige Augenärztin, die im Februar mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien ausgezeichnet wurde, eine große Herzensangelegenheit. Doch die mediale Aufmerksamkeit liegt derzeit eindeutig im Stockwerk darunter, wo Österreichs international gefragtester Künstler, Erwin Wurm, und der Münchner Biedermeiermaler Carl Spitzweg einander zu einem höchst vergnüglichen, (Jahrhunderte über)spannenden Kunstdialog treffen.

STANDARD: Sehen Sie sich als Garant für die künstlerische Ausrichtung des Leopold Museum?

Leopold: (lacht) Meine Liebe, in meinem Alter kann ich kein langer Garant mehr sein! Aber ich habe auch einen Sohn, von dem ich mir erwarte, dass er auf Linie bleibt und den besonderen Charakter des Museums achtet.

STANDARD: Wie verstehen Sie sich mit Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger?

Leopold: Er ist unglaublich liebenswürdig, und ich habe die Direktiven, ihn zu lassen. Das tu ich auch. Man hat ihn wegen seiner großen Erfolge in Krems geholt, ich hoffe nur, dass er uns nicht ganz mit Krems verwechselt. Moderne Kunst kann man überall auf der Welt sehen. Aber diese Konzentration auf 1900 und dessen Überwindung: Das gibt es sonst nirgends. Deshalb kommen die Menschen zu uns! Auch in New York hat man mir das bestätigt.

STANDARD: Haben Sie in New York auch die "Adele" in der Neuen Galerie von Ronald Lauder besucht, die nach langem Rechtsstreit an die Erben restituiert werden musste?

Leopold: Ihretwegen bin ich überhaupt hingeflogen. Ich wollte sie noch einmal sehen und wissen, wie schade es um sie ist. Ich muss sagen: Es ist nicht gar so schade. Ich habe Abstand genommen von dieser Überdekoration, die war auch für Klimt ein Problem. Nach der Adele und dem Kuss hatte er eine Schaffenskrise, suchte neue Wege, das finde ich interessant. Ich war übrigens auch im Museum of Modern Art, einem meiner Lieblingsmuseen, auch wenn man nach unserer Ausstellung dort das Bildnis Wally beschlagnahmt hat. Aber ich trage dem MoMa nichts nach. Mittlerweile ist es ja geklärt, wir haben uns geeinigt, das Bild ist wieder bei uns im Haus.

STANDARD: Wally war ja der Anlassfall für die Rückgabegesetze von Ministerin Elisabeth Gehrer.

Leopold: Ich halte die Gesetze für gut und wichtig! Es gibt die Kommission, die alle unsere Werke auf ihre Provenienz hin überprüft, ich hoffe, dass alles restlos aufgeklärt und geklärt wird.

STANDARD: Täuscht es, oder wird von Ihnen nach dem Tod Ihres Mannes ein sanfterer, auch versöhnlicherer Ton angeschlagen?

Leopold: Ich verstehe schon, dass er grantig war. Er hat so viel geleistet, und wurde ständig nur gefragt, wie viele Bilder belastet sind. Mein Mann war ein Seelenmensch, sonst hätte er den Schiele nicht entdecken können. Dass er als kleiner Medizinstudent diesen Blick hatte: Dafür verehre ich ihn heute immer mehr und mehr. Man hat uns ja verspottet und ausgelacht! Wir haben viele Abende mit Größen der Kultur in unserem kleinen Zimmer verbracht, alle haben gesagt: 'Den Schiele brauchen S' nicht sammeln, das ist ein lokales Talent.' Wirklich! Und das waren ernst zu nehmende Leute!

STANDARD: Haben Sie erst durch Ihren Mann begonnen, sich für Kunst zu interessieren?

Leopold: Schwere Frage. Man neigt ja dazu, die Vergangenheit zu verklären. Meine Mutter arbeitete bei einer Korbwarenfabrik, die Korbsessel für die Wiener Werkstätte herstellte. Die standen auch bei uns zu Hause herum, ich bin mit dem späten Jugendstil aufgewachsen. Aber ob daher meine Kunstbegeisterung kommt? Ich glaube, ich verdanke sie meinem Mann, den täglichen Gesprächen, Überlegungen. Schließlich war diese Sammlerei ja eine Existenzfrage: Wie zahlen wir die Zinsen? Steht es dafür?

STANDARD: Wie steht das Museum finanziell da?

Leopold: Das Leopold Museum ist eine Großtat der Republik Österreich, welche die Bedeutung der Sammlung meines Mannes erkannt hat. Und, ja, dank des lieben Ministers Josef Ostermayer bekommen wir seit vorigem Jahr eine Million Euro mehr. Bisher hatten wir ja nur ein Drittel aller anderen Museen. Ich bin nicht die Finanzspezialistin des Hauses, aber eigentlich müsste es jetzt reichen.

STANDARD: Werden Sie weiterhin Ausstellungen kuratieren?

Leopold: Wenn man mich lässt (lacht). Aber ich möchte mich hier eher zurückziehen, denn ich habe noch einen großen Wunsch in meinem Leben: Ich möchte das Schiele-Buch meines Mannes, ein wirkliches Standardwerk, neu auflegen. Und man hat mich gebeten, eine Biografie zu schreiben. Das finde ich meist langweilig. Eine Biografie muss einen Sinn haben. Was bleibt? Es bleibt die Verbindung zu Leopold und Schiele.
(Andrea Schurian, 1.4.2017)