Wien – Kabarettist Roland Düringer gibt sich neuerdings als Nachhilfelehrer in politischer Bildung. So auch an diesem Abend, als es darum geht, sein neues Buch, das zugleich auch den Namen seiner Partei "Meine Stimme gilt!" (auf dem Wahlzettel kurz als "Gilt!" angegeben) trägt, Studenten in der Buchhandlung im Neuen Institutsgebäude der Uni Wien vorzustellen.

derStandard.at

Er habe seine Parteigründung von langer Hand geplant. Seine mittlerweile aufgrund seines politischen Engagements vom Sender Puls 4 abgesetzte Talkshow "Gültige Stimme" sei etwa Teil seines Kunstprojekts, das "extrem schwer zu erklären ist". Damit Düringer mit Gilt! bei der nächsten Nationalratswahl antreten kann, muss er allerdings zuerst "2.600 Ärsche in die Höhe bekommen", die eine Unterstützungserklärung unterschreiben.

Populist und Popolist

Das studentische Publikum versucht er mit einer Mischung aus Systemkritik und Favoritner Schmäh zu begeistern. Er sei nicht nur ein Populist, sondern auch ein Popolist, erzählt er. Er werde bei seiner Partei nicht als Spitzenkandidat antreten – schließlich sei er selbst Teil der Elite. Er will nichts, er habe nichts zu verlieren. Er ist also einer, der sich mehr erlauben kann als die anderen Wahlwerber. "Stellt euch vor, ich bin in einer TV-Sendung und sage jemandem, dass er ein Arschloch ist."

"Geh scheißen, Hofer"

Düringer erzählt, dass Wählerbindung über Versorgung heute nicht mehr funktioniert. Die Nachkriegsordnung, die das Land in Rot und Schwarz teilte, sei Geschichte. Selbst im tiefschwarzen Niederösterreich seien bei der Bundespräsidentschaftswahl sonst treue ÖVP-Wähler in die Wahlkabine gegangen und haben nach dem Motto "Geh scheißen, Hofer" dem blauen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer ihre Stimme gegeben statt dem schwarzen Andreas Khol, so Düringers Analyse.

"Wie kriegst du jemand dazu, dass er an der für die Partei richtigen Stelle das Kreuz macht?", fragt Düringer. "Über Angstmacherei", ruft eine Studentin. Düringer: "Was ist Angst? Eine Emotion. Es geht um Emotion. Die hinter den Parteien stehende PR-Menschen wissen, wo sie den vermeintlichen Kunden bei den Eiern haben und in die Gefühlswelt hineinkommen. Dann bist du so geimpft, da ist der Verstand ausgeschalten."

Varoufakis' "Hawara" hilft

Wer für Gilt! in den Nationalrat einziehen will, kann sich bewerben. Gemeinsam mit seinem Vizeparteiobmann Walter Naderer, der 2013 auf ein Ticket des Team Stronach in den niederösterreichischen Landtag eingezogen ist, sich später aber von der Partei losgesagt hat, will Düringer eine erste Vorauswahl der Kandidaten treffen. Letztlich soll das Los entscheiden, wer welchen Listenplatz bei Gilt! bekommt. Handwerker, Arbeitslose, Studenten sollen etwa auf Düringers Liste gekommen. Naderer – laut Düringer übrigens ein "Hawara vom Yanis Varoufakis" – will nicht auf einem wählbaren Listenplatz stehen.

Sollte Gilt! den Einzug in das Parlament schaffen, wäre für sie ein Los als wilde Abgeordnete vorgesehen, die frei von Interesse agieren sollten. Zudem sollen sie nur 2.017 Euro von ihrem Abgeordnetengehalt behalten dürfen. Der Rest geht an wohltätige Zwecke.

Abgeordnete ohne Klubzwang

Gefragt, welche konkreten politischen Ziele "seine" Abgeordneten verfolgen sollten, sagt Düringer: "Es kann alles passieren, ich kann das nicht beeinflussen." Immer wieder wiederholt er seine eigentliche Agenda: Es ginge ihm darum, ungültige Stimmen zu gültigen zu machen anstatt sie dem System zuzuführen. Ein gutes Viertel von mehr als sechs Millionen Wahlberechtigten in Österreich haben bei der Nationalratswahl 2013 nicht oder ungültig gewählt. Vor allem ihre Gunst erhofft sich Düringer.

Spaß und Skepsis

Mit weiteren Wuchteln wie "Wer hat bei der ÖVP 2013 bestimmt, wer auf der Liste oben steht? Er hat einen blöderen Neffen" entlockt er den Studenten noch weitere Lacher. Und wie kommt bei der Studentenschaft die Mischung aus Wut und Schmäh an? Auffallend gut. Viele stellen sich an und wollen noch mit "dem Düringer" plaudern, der hier alle duzt und sich in seiner Rolle als politisches Enfant terrible offenbar vortrefflich gefällt. Skeptisch sind viele allerdings noch in der Frage, wie die zufällig ausgewählten Abgeordneten ohne politisches Programm dann im Nationalrat agieren würden. "Vielleicht laufen die am Ende erst wieder zu einer anderen Partei über", sagt eine Zuhörerin. (Katrin Burgstaller, 4.4.2017)