Pressekonferenz zum Frauenvolksbegehren 1997: Mitinitiatorin Eva Rossmann (links im Bild) und Christa Pölzlbauer, bis 2016 Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings.

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Bundeskanzler Christian Kern, unter anderem mit Gesundheits- und Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner und Ex-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (alle SPÖ). Frauenring-Vorsitzende Sonja Ablinger kritisiert die niedrige Bewertung von Frauenpolitik in der Regierung.

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Zwanzig Jahre ist es her, dass sich fast 650.000 Menschen mit einer Unterschrift für die Gleichstellung von Frauen in Österreich starkmachten: Unter dem Motto "Alles, was Recht ist!" legten die Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens 1997 eine Liste mit elf Forderungen vor, die von der Koppelung öffentlicher Aufträge und Förderungen an Gleichstellungsziele in Unternehmen bis zu einem Mindesteinkommen von 15.000 Schilling im Monat reichten. Bis heute nicht erfüllte Forderungen wie die Streichung der Anrechnung des PartnerInneneinkommens bei der Notstandshilfe oder die Ausdehnung der Behaltefrist am Arbeitsplatz nach der Karenzzeit auf 26 Wochen waren wenig visionär, jedoch als konkreter Arbeitsauftrag an die Bundesregierung zu verstehen.

Die Idee, Frauenpolitik mithilfe eines Volksbegehrens auf die öffentliche Agenda zu setzen, entstand im Umfeld von Protesten gegen das Sparpaket der großen Koalition. Sozialstaatliche Einschnitte, die Frauen in besonderem Ausmaß trafen, hatten schon im Vorfeld für eine Mobilisierung innerhalb der Frauenbewegung gesorgt. Im damals gegründeten Verein Unabhängiges Frauenforum (UFF) versammelten sich frauenbewegte Aktivistinnen, darunter so prominente Namen wie Eva Rossmann und Elfriede Hammerl. Als Unterstützerinnen konnten die amtierende Frauenministerin Barbara Prammer sowie ihre sozialdemokratischen Vorgängerinnen Helga Konrad und Johanna Dohnal gewonnen werden.

Während die Grünen das Frauenvolksbegehren zum Anliegen der Gesamtpartei erklärten, regte sich in den Reihen der Volkspartei und der FPÖ Widerstand. ÖVP-Klubobmann Andreas Khol, der sich im Bundespräsidentenwahlkampf 2016 als Feminist deklarieren sollte, stellte sich in den 1990er-Jahren noch gegen die Anliegen der Frauen, auch Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat ortete lediglich "Belastungsideen".

Kommunikation ohne Internet

Dass die UFF-Frauen auf das Instrument eines Volksbegehrens setzten und sich den Erfordernissen moderner Politik anpassten – in den Medien dominierten bald prominente UFF-Aktivistinnen –, sorgte in der autonomen Frauenszene für wenig Begeisterung, wie die Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger beschreibt. Doch obwohl die elf Forderungen vielen zu zahm waren, solidarisierten sich Teile der autonomen Frauenbewegung mit den Initiatorinnen.

In allen Bundesländern fanden im Vorfeld der Eintragungswoche (7. bis 14. April 1997) zahlreiche Informationsveranstaltungen statt, tausende Flyer wurden verteilt und Plakate geklebt – eine Basismobilisierung, die einen wesentlichen Beitrag zum großen Erfolg des Volksbegehrens leistete. Es gab breite Frauenbündnisse – Frauen aus der Katholischen Frauenbewegung und aus Parteien, Studentinnen, Bäuerinnen –, und die jeweiligen Ansprechpersonen in den Bundesländern konnten die Veranstaltungen autonom durchführen. Dass die Kommunikation 1997 noch nicht über das Internet abgewickelt wurde, sollte sich als Vorteil herausstellen, erinnert sich Eva Rossman im Gespräch mit dem STANDARD. "Wir wussten, dass wir uns über die grundsätzlichen Anliegen des Volksbegehrens einig waren, die Frauen vor Ort formulierten diese aber in ihrer eigenen Sprache."

Gleichstellungsranking: Österreich rutscht ab

Trotz der beeindruckenden Zahl an UnterstützerInnen kann das Volksbegehren kaum als realpolitische Erfolgsgeschichte verbucht werden. Gänzlich erfüllt wurde bis dato nur die Forderung nach zwei Jahren Karenzgeld für AlleinerzieherInnen. Bei manchen Punkten kann höchstens von einer kleinen Annäherung gesprochen, etwa bei den Betreuungsplätzen für Kinder. Von der im Volksbegehren geforderten "Bereitstellung ganztägiger qualifizierter Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersstufen" sind einzelne Bundesländer weit entfernt, im Gleichstellungsranking des Weltwirtschaftsforums rutschte Österreich zuletzt vom 37. auf den 52. Platz ab.

Die Grünen thematisierten aus Anlass von 20 Jahren Frauenvolksbegehren am Montag die bestehenden großen Probleme bei der Lohngleichheit und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Frauensprecherin Berîvan Aslan betont auf Nachfrage des STANDARD vor allem die unterschiedliche Bewertung von "Frauen"- und "Männerberufen" und fordert daher eine Reform der Kollektivverträge. Im Zuge dessen müsse etwa das Zulagensystem reformiert werden. "Ein Hilfsarbeiter im Baugewerbe bekommt Zulagen für die Arbeit an Maschinen, aber auch Reinigungskräfte müssen mit Maschinen arbeiten – sie kriegen dafür aber keine Zulagen, ebenso wenig Kindergartenpädagoginnen für das erhöhte Ansteckungsrisiko oder das Heben von geringen Lasten", kritisiert Aslan. Beim Schließen der Lohnschere allein auf Lohntransparenz zu setzen wäre naiv, sagt die Frauensprecherin.

Die Stagnation bei der Forderung nach "gleichwertigem Lohn für gleichwertige Arbeit" gilt auch anderen Frauenpolitikerinnen als der größte Brocken. Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) will diesen mit einem Mindestlohn von 1.500 Euro bewegen – einen Mindestlohn schrieben schon die Aktivistinnen von damals als wichtigen Hebel für Lohngerechtigkeit fest.

Regierungsübereinkommen ohne Frauenpolitik

Neue Erkenntnisse, wie erfolgreiche Frauenpolitik aussehen könnten, gibt es demnach nicht. Manche sehen sogar mehr Rück- als Fortschritt. So will Sonja Ablinger, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, einen aktuell besonders niedrigen Stellenwert von Frauenpolitik am Regierungsübereinkommen erkennen. Einzig mit Frauenquoten in Aufsichtsräten und dem Burkaverbot wurden frauenspezifische Themen verankert – und ob Letzteres im Sinne der Gleichberechtigung ist, ist höchst umstritten. "Man redet offenbar lieber über die Burka als über die wenig verschleierten Einkommensverhältnisse", sagt Ablinger. "Dass sich im regierungspolitischen Update außer zu den Quoten in Aufsichtsräten keine einzige zentrale frauenpolitische Forderung findet, ist enttäuschend und zeigt, dass die Frauenpolitik im toten Winkel ist."

Der Gender-Pay-Gap spielt in den unterschiedlichsten Forderungen von damals eine Rolle, ist Ablinger überzeugt. "Das unbereinigte Bruttojahreseinkommen ist damals wie heute bei 38 Prozent." Die sogar steigenden Teilzeitraten würden gut zeigen, wie sehr die Bereiche Kinderbetreuung und Vereinbarkeit mit der Lohnschere verzahnt sind. "In der Zeit um das Volksbegehren waren 45 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren teilzeitbeschäftigt – mittlerweile sind es sogar 75 Prozent", kritisiert Ablinger. Ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung wäre daher längst überfällig. Einen deutlichen Rückschritt habe es durch die Pensionsreform 2003/04 der schwarze-blauen Koalition gegeben. "Die lebenslangen Durchrechnungszeiten in Kombination mit längeren Teilzeitphasen – dadurch haben Frauen stark verloren", meint Ablinger.

Misserfolg der Regierungen

Die gesamte Debatte über Verschleierung im weitesten Sinne zeigt, dass bestimmte Themen 1997 noch keine Rolle spielten, heute aber bei Diskussionen über Gleichberechtigung tonangebend sind. Eva Rossman sieht daher die Notwendigkeit, den alten Forderungskatalog zu erweitern. Die Autorin und Mitinitiatorin des Volksbegehrens sieht etwa bei der Unterstützung für geflüchtete Frauen enorm viel Handlungsbedarf.

Elf Forderungen, das meiste davon unerledigt: Das sei ein Misserfolg der jeweiligen Regierungen, sagt Rossman. "Wir haben damals das Begehren von Frauen aufgezeigt. Daraus etwas machen – das muss schon die Politik."

Also ein neues Volksbegehren, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen? Verschiedene Frauenorganisationen vermeldeten Anfang des Jahres, ein neues Volksbegehren auf die Beine stellen zu wollen. Ob es im Jubiläumsjahr des Frauenvolksbegehrens von 1997 dazu kommt, ist derzeit noch aber offen. (Beate Hausbichler, Brigitte Theißl, 6.4.2017)