Justizminister Wolfgang Brandstetter: "Da malen manche ein Gespenst an die Wand, um sich als Geisterjäger feiern zu lassen."

Foto: apa/Hochmuth

Wien – Die teils kritischen Stellungnahmen zum Strafrechtspaket werden geprüft und wenn nötig Klarstellungen vorgenommen, aber "im Kern bleiben wir bei den Regelungen", stellte Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) im APA-Gespräch klar. Die schärferen Strafen für Angriffe auf Beamte und sexuelle Belästigung in Gruppen hält er für gerechtfertigt.

Besondrs umstritten ist etwa der Umgang mit den "Staatsverweigerern", Gruppen also, die überzeugt sind, der Staat existiere gar nicht oder könne ihnen nichts vorschreiben. So, wie der Text derzeit formuliert sei, würde es sich um einen Gesinnungsstrafbestand handeln – dessen Anwendung "in einem – schwerlich auflösbaren – Spannungsverhältnis" zu Grundrechten wie der Meinungsfreiheit stehe, heißt es etwa in der Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck.

Brandstetter sieht Geisterjäger

Es sei nie daran gedacht gewesen, mit dem neuen "Staatsfeinde"-Tatbestand gewaltfreien Widerstand zu kriminalisieren – und das geschehe mit dem Gesetzestext auch nicht, trat der Minister in der Begutachtung geäußerten Befürchtungen entgegen, dass etwa auch Protestaktionen von Umweltschützern wären betroffen: "Da malen manche ein Gespenst an die Wand, um sich als Geisterjäger feiern zu lassen." Die Besetzung der Hainburger Au wäre auf keinen Fall darunter gefallen.

Die Regelung gelte nur für "Bewegungen, die aus einer generell staatsfeindlichen Gesinnung heraus Verwaltung oder Justiz torpedieren" – und bestraft werden sie, wenn sie eine "gezielte Handlung" setzen. Dies könnte man erforderlichenfalls auch noch einmal klarstellen.

Nötig sei die Regelung aber, handle es sich bei den "Reichsbürgern" doch um eine "wirklich gefährliche Gruppierung, die mit einiger krimineller Energie Gerichtsvollzieher, Sachwalter, Richter und andere Beamte mobbt und schikaniert". Das Ziel dieser "Freemen"-Gruppen sei, den Rechtsstaat zu untergraben und ad absurdum zu führen. Dagegen müsse sich "der Rechtsstaat wehren", seine Durchsetzbarkeit müsse im Sinne der "wehrhaften Demokratie" sichergestellt werden.

Strengere Strafen für Sexualdelikte

Die strengeren Strafe für Sexualdelikte, die verabredet in Gruppen begangen werden, hält Brandstetter für angebracht: Denn es sei "ein anderes Bedrohungsbild, wenn zwei oder mehrere Männer Frauen belästigen", auf dieses neue Phänomen müsse man reagieren. Und die Strafhöhe habe "natürlich den Effekt der Abschreckung".

Ein Missverhältnis mit anderen Strafen sieht der Minister nicht – und die mit der großen Strafrechtsreform angestrebte bessere Balance der Strafen werde nicht gestört – im Gegenteil: Sein Entwurf stehe in Übereinstimmung damit, denn 2015 sei genau das Rechtsgut der sexuellen Integrität stärker geschützt worden.

"Gar nicht überschießend" ist aus Sicht des Ministers die Vervierfachung der Strafe für Angriffe – ohne Körperverletzun – auf Beamte bzw. die neue Strafdrohung von ebenso zwei Jahren für Angriffe gegen Schaffner oder Kontrolleure in Massenverkehrsmitteln. Dies sei nötig, weil die Aggressionsakte zunehmen würden – und Brandstetter ist sicher, dass eine entsprechende Strafdrohung präventiv wirkt.

Kritik wird geprüft

Auch hier gelte es, gegen das Phänomen aufzutreten, dass Autorität untergraben werden soll durch Aggression und Attacken. "Das ist negativ für den Rechtsstaat, dieser lebt von seiner Durchsetzbarkeit – und wir sind jetzt an einem Punkt, wo man klarstellen muss, dass Beamte und Kontrolleure zu respektieren sind."

In der Begutachtung habe es zu allen Punkten neben "einigen kritischen" auch viele positive Stimmen gegeben. Natürlich werde die Kritik geprüft und wenn nötig Klarstellungen oder Änderungen vorgenommen. Aber der Oberste Gerichtshof habe eine positive Stellungnahme abgegeben – und da dieser die oberste strafrechtliche Instanz sei, wäre dies doch "sicherlich gewichtiger" als Kritik von Interessensgruppen.

Der OGH hält der Kritik, es handle sich um "Anlassgesetzgebung" entgegen, dass es "Sache des Gesetzgebers ist, auf gesellschaftspolitische Veränderungen auch im Bereich des Strafrechts zu reagieren" – in diesem Fall auf die Übergriffe auf Frauen zu Silvester in Salzburg und Innsbruck und auf vermehrte Aggressionsakte gegen Beamte und Aufsichtsorgane in Massenverkehrsmitteln. Der "Reichsbürger"-Paragraf habe angesichts der "Aktivitäten diverser Bewegungen" wohl seine Berechtigung, wenngleich er "naturgemäß deutliche Elemente eines 'Gesinnungsstrafrechts' aufweist", so der OGH. (APA, 6.4.2017)