Religionsunterricht und Ethikunterricht als Gegensatz darzustellen, schadet der Einführung eines Ethikunterrichts für alle.

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Die säkulare Vernunftkonzeption des Staates wurde mühsam und häufig gegen den Widerstand der Kirchen erkämpft. Sie ist ein zentrales Gut unserer Gesellschaft. Dass es diese zu bewahren und zu stärken gilt, ist heute einhellige Meinung gerade innerhalb der christlichen Kirchen. Schließlich ist und bleibt nur durch sie Religionsfreiheit und damit auch das (Aus)Leben der eigenen Glaubensüberzeugung möglich.

Religionsfreiheit bedeutet aber – zumindest in ihrer Umsetzung als religiös-weltanschaulich wohlwollende Neutralität – nicht die völlige Verdrängung aller religiösen und/oder weltanschaulichen Momente aus dem öffentlichen Raum. Dabei zeigt sich schon die Vorstellung, dass dadurch alle (religiös motivierten) Konflikte aus der Welt geschaffen wären, als furchtbarer Irrglaube. So lässt ein Blick in die Geschichte sehr deutlich werden, dass Auseinandersetzungen um unterschiedliche Wert- und Weltvorstellungen eben dort besonders hitzig, wenn nicht gar blutig werden, wo Andersgläubige als Fremde und damit als Feinde betrachtet werden.

Ethik ist nicht Gegenpart von Religion(en)

Es ist somit in der Tat erschreckend, dass der Ethikunterricht in Österreich bis heute nicht über seinen Status als Schulversuch hinausgekommen ist. Denn die zeitgenössischen Konflikte zeigen seine Notwendigkeit überaus deutlich. Ein Grund aber, warum sich beim Thema des Ethikunterrichts so viele Widerstände von unterschiedlichsten Seiten zeigen, besteht auch in dem Irrglauben, Ethik sei so etwas wie ein Gegenpart zur Religion.

Religionsunterricht besteht natürlich immer auch in der Vermittlung von Glaubensinhalten – was nicht heißt, dass hier Mission oder gar Indoktrination stattfindet. Darüber hinaus widmet sich dieser aber immer auch den zentralen Fragen des menschlichen Lebens und damit den ethischen (!) Fragen nach gutem und schlechtem Tun und gerechten und ungerechten Strukturen.

Wer den Ethikunterricht als "'Bestrafung' für bewusst gewählte Religionsfreiheit im Sinne persönlichen Freiseins von religiösen Geboten und (Denk-)Verboten" versteht, hat dessen Sinn und Zweck nicht verstanden.

Religiöser Analphabetismus

So kann ich Lisa Nimmervoll nur zustimmen: Was es dringender denn je braucht, ist Wissen(schaft), Aufklärung und Bildung. Aber gerade in gesellschaftlich schwierigen Zeiten in denen auch religiöse Konflikte erneut in den Vordergrund drängen, braucht es informierten Unterricht auch im eigenen Glauben. Und sei es nur in dem Glauben, in dem das eigene Umfeld einen sozialisiert.

Nur eine solche aufgeklärte und kritische Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Glaubens bewahrt vor späterer Radikalisierung, die gerade bei religiösem Unwissen ansetzt. Dies jedoch darf nie im Widerspruch zu einem gemeinsamen Dialog aller Menschen über das gesellschaftliche Zusammenleben stehen und damit nicht im Gegensatz zu einem Ethikunterricht für alle.

Der demokratische, liberale Staat ist existentiell auf mündige, aufgeklärte Bürger und Bürgerinnen angewiesen. Um eine solche Bürgerin beziehungsweise ein solcher Bürger sein zu können, darf man aber auch kein religiöser Analphabet sein.

Eine religiöse Grundkenntnis – und das ist nicht dasselbe wie gläubig zu sein – bewahrt davor, religiösen Fanatikern Bewunderung entgegenzubringen. Ebenso wie davor, dem Irrglauben anheim zu fallen, man müsse Gott vor menschlichen Beleidigungen oder gar vor (vermeintlichem) Unglauben beschützen. Nicht zuletzt ermöglicht eine religiöse Grundbildung aber auch das Verständnis Andersgläubiger und ist damit zentraler Baustein auf dem Weg zu einem friedlichen Zusammenleben. (Irene Klissenbauer, 19.4.2017).