Bis heute beißen sich Codeknacker an Schrift und Sprache des Voynich-Manuskriptes die Zähne aus.
Foto: beinecke rare book & manuscript library/yale university

Moskau – Bizarre mechanische Apparaturen, seltsame Frauenfiguren, fremdartige botanische und astronomische Welten und vor allen Dingen ein langer Text aus unbekannten Schriftzeichen: Das Voynich-Manuskript beschäftigt seit seiner Entdeckung 1912 in einem Jesuitenkolleg im italienischen Frascati Experten wie Laien gleichermaßen. Trotz jahrzehntelanger Bemühungen widersetzten sich sowohl die Schrift als auch die Sprache, in der das Dokument verfasst worden ist, bisher beharrlich jeglicher Entschlüsselungsversuche.

Materialuntersuchungen ergaben immerhin, dass die 102 von ursprünglich mindestens 116 Pergamentblättern authentisch sind und vermutlich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden sein dürften. Worum es bei dem Text geht, bleibt dagegen weiterhin rätselhaft, obwohl es in den letzten Jahren an Lösungsversuchen keinen Mangel hatte: Anfang 2014 etwa vermutete ein US-Wissenschafter nach eingehender Analyse, dass das Voynich-Manuskript in einer mittlerweile ausgestorbenen präkolumbianischen Sprache geschrieben worden ist und aus der Neuen Welt stammt.

Nackte Frauen und mysteriöse Apparaturen: Das Voynich-Manuskript steckt voller Seltsamkeiten.
Foto: beinecke rare book & manuscript library/yale university

Sinnvoller Text oder Kauderwelsch?

Die Fachwelt zeigte sich davon wenig überzeugt. Plausibler dagegen klingen die wenige Monate später von dem britischen Sprachwissenschafter Stephen Bax veröffentlichten Entzifferungsversuche, wonach sich in einigen der mysteriösen Buchstaben und Begriffe astronomische Bezeichnungen und bekannte botanische Namen verbergen. Dabei ist im Grunde noch nicht einmal klar, ob das Buch, das sich heute im Besitz der Beinecke Bibliothek der Yale-Universität befindet, überhaupt sinnvollen Text enthält: Statistische und phonotaktische Analysen brachten jedenfalls bisher kein eindeutiges Ergebnis.

Einige Experten kamen sogar zu dem Schluss, dass es sich hauptsächlich um eine ausgefeilte aber sinnlose Aneinanderreihung von Zeichen handelt, die mit Schablonen und Buchstabentabellen erstellt wurde. Dem widersprechen wiederum andere Forscher, darunter der theoretische Physiker Marcelo Montemurro (University of Manchester) und der Argentinier Damián H. Zanette (Instituto Balseiro in Bariloche), die doch eine echte, wenn auch nach wie vor unlesbare, Botschaft in realer Sprache erkannt haben wollen.

Mit einigen der im Voynich-Manuskript abgebildeten Pflanzen können selbst Botaniker nichts anfangen.
Foto: beinecke rare book & manuscript library/yale university

Neuer Lösungsansatz

Einen aktuellen Beitrag zur Lösung des Voynich-Rätsels liefern nun russische Wissenschafter. Yuri Orlov und sein Team vom Keldysh Institut für angewandte Mathematik an der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau sind ebenso der Meinung, dass das Manuskript kein sinnfreier spätmittelalterlicher Schwindel ist, sondern tatsächlich Informationen enthält. Die Wissenschafter näherten sich dem Text – ebenso wie zahlreiche Kollegen vor ihnen – mit einer tiefgehenden statistischen Textanalyse und kamen dabei auf recht konkrete Ergebnisse.

Demzufolge wurde der kodierte Text des Voynich-Manuskripts zu rund 60 Prozent in Deutsch oder Englisch und zu 40 Prozent in einer romanischen Sprache, etwa Latein, Italienisch oder Spanisch, verfasst. Dass es sich dennoch bisher als unknackbares Buch mit sieben Siegeln erwies, liegt nach Ansicht von Orlov daran, dass der Text keine Vokale enthält und die ursprünglichen Leerzeichen durch neue, an anderer Stelle gesetzte Lücken ersetzt worden waren.

Auch die abgebildeten Diagramme geben nicht Preis, worum es in dem spätmittelalterlichen Werk gehen könnte.
Foto: beinecke rare book & manuscript library/yale university

Kaum zu entschlüsseln

Diese Vorgehensweise des Voynich-Autors würde es nach Meinung der Forscher praktisch unmöglich machen, das Manuskript heute ohne den passenden Schlüssel zu dekodieren. "Ohne die ursprünglichen Vokale zu kennen, bleiben einfach zu viele mögliche Variationen über, als dass der vollständige Text richtig verstanden werden könnte", befürchtet Orlov. (tberg, 30.4.2017)