Das "Rot-Grün-Manifest" der ÖVP zeigt Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) mit Hammer und Sichel.

Foto: oevp

Wien – Einen Termin für die nächste Nationalratswahl gibt es noch nicht, der Wahlkampf nimmt aber Fahrt auf: Die ÖVP greift nun Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern frontal mit einer Broschüre an, die vor Rot-Grün warnt. Kern wird in dem von der ÖVP lancierten "Manifest" laut dem "Kurier" als Marxist im Sowjetstil mit Hammer und Sichel dargestellt. SPÖ und Grüne kommen in aktuellen Umfragen gemeinsam auf 37 bis 40 Prozent.

ORF

ÖVP-Generalsekretär Werner Amon verteidigte die Broschüre im Ö1-"Morgenjournal". Die SPÖ befinde sich seit Herbst im Wahlkampf, "es war einfach an der Zeit, auch unseren Spitzenfunktionären hier eine Argumentationshilfe in die Hand zu geben, was denn das bedeuten würde, wenn tatsächlich die Sozialdemokratie mit den Grünen eine Koalition bildet". Es handle sich beim "Rot-Grün-Manifest" jedenfalls um keine Wahlkampfbroschüre.

Auf 58 Seiten werden Argumente gegen Kern und eine mögliche rot-grüne Bundesregierung aufgelistet, darunter zehn angebliche Verbote, unter denen das Volk bei einer solchen Koalitionsvariante zu leiden hätte. Hintergrund der ÖVP-Aktion ist das Werben um die "Mittelschicht" (SPÖ-Diktion) beziehungsweise um den "Mittelstand" (ÖVP-Diktion). Die Broschüre ist offenbar die Reaktion auf die jüngste SPÖ-Kampagne, die diese Zielgruppe in den Mittelpunkt rückt. Kanzler Kern war dabei als Pizzabote ausgerückt und hatte Familien in ihren Wohnzimmern besucht.

"Willkommenskultur-Kanzler"

"Wir wollen dem Mittelstand klarmachen, was Kerns Politik bedeutet", erklärte Amon im "Kurier" die Beweggründe für das "Rot-Grün-Manifest". Es unterstellt SPÖ und Grünen, keine Leistung zuzulassen, von Zuwanderern nichts einzufordern, Bürger nicht entlasten zu wollen, Jungen keine Chance zu geben, Unternehmern keinen Erfolg zu erlauben, keinen schlanken Staat zuzulassen, Begabungen nicht zu fördern, Werte und Traditionen nicht zu erhalten und die Macht nicht aus der Hand geben zu wollen.

Kern, der in der Broschüre als "Willkommenskultur-Kanzler" tituliert wird, verfolge das Ziel einer "linken Wende in Österreich". Von einer "Rückkehr in die links-linke Gedankenwelt der kommunistischen Gründerväter Marx und Lenin" ist die Rede.

Politikberater: "Wer sagt's den Kindern?"

In der SPÖ wollte man sich am Dienstag keine Irritation über die ÖVP-Kampagne anmerken und sich davon nicht provozieren lassen. "Wir kommentieren das nicht. Das richtet sich von selbst", hieß es aus der Parteizentrale. Jörg Leichtfried nahm es auf Twitter mit Humor. "Hammer und Sichel sind ja immerhin Teil des österreichischen Staatswappens ;)", schrieb der Verkehrsminister.

Für den Politikberater Thomas Hofer ist die Broschüre nur ein weiteres Indiz dafür, dass die Koalition ihr Ablaufdatum erreicht hat. "Man will nicht mehr miteinander, man kann auch nicht mehr miteinander. Die Frage ist nur, wer sagt's den Kindern, und wie bös' reagieren die", sagt Hofer.

Funktionärsmobilisierung im Vorwahlkampf

Die Broschüre selbst ist für den Kampagnenexperten nichts Neues. Es habe von der ÖVP schon mehrere Rot-Grün-Warnfibeln gegeben, und auch die Wiener SPÖ habe im letzten Wahlkampf ein "Blaubuch" über die FPÖ herausgebracht. "Das kommt nicht das erste Mal vor." Der Stil der ÖVP-Broschüre sei "teilweise sehr plump" und "sehr lächerlich". Das sei aber Sinn der Übung solcher Fibeln, die vor allem der eigenen Funktionärsmobilisierung dienten, so Hofer. Dass in diesem Fall der Angriff auf Kern dazukomme, habe wohl damit zu tun, dass dieser mit seiner Wirtschaftsvergangenheit potenziell auch in die Wählerschicht der ÖVP hereinstrahle.

Laut Hofer befindet sich die Politik jedenfalls längst in der Wahlauseinandersetzung. "Wir sind de facto im Wahlkampf, nennen wir es halt Vorwahlkampf. Die ÖVP hat dabei ein Problem. Sie muss Wahlkampf machen, ist aber kandidatentechnisch noch nicht so aufgestellt, dass alles aus einem Guss sein könnte", so Hofer in Anspielung auf die ÖVP-interne Personaldiskussion, laut der Außenminister Sebastian Kurz und nicht Vizekanzler Reinhold Mitterlehner den Spitzenkandidaten bei der Wahl geben könnte. Und die SPÖ habe die "Herausforderung Wien und einen Nachholbedarf in Sachen Mobilisierung, aber dort ist wenigstens klar, wer es wird". (APA, 2.5.2017)

Update (14:50 Uhr):

Dem Bundeskanzler dürfte der Stil der Broschüre gefallen: Er hat ein neues Facebook-Profilbild.

Update 18:14 Uhr

Bundeskanzler Kern hat auf seiner Facebook-Seite in einem Video reagiert.