Sicherheitskräfte der Polizei bei einem Prozess gegen Staatsverweigerer in Niederösterreich.

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68 Stellungnahmen und viel kritische mediale Aufmerksamkeit hat der mit der Strafrechtsreform zur Begutachtung vorgelegte neue, auf Staatsverweigerer zugeschnittene Paragraf 247a ausgelöst. Von überzeichneten Maßnahmen, Gesinnungsjustiz und einer Gefahr für die engagierte Zivilgesellschaft ist die Rede.

Was bei den Stellungnahmen auffällt, ist die Diskrepanz zwischen jenen, die mit dem Phänomen direkt konfrontiert sind, und jenen, die lediglich abstrakt beurteilen. Während sich Erstere für die Einführung, oft sogar für eine Verschärfung aussprechen, nehmen nicht direkt Betroffene eine durchwegs ablehnende und das Phänomen verharmlosende Haltung ein.

Weitgehend unbekanntes Phänomen

Die Aufgeregtheit ist von ebenfalls vielfach Ratio entbehrender Berichterstattung begleitet. Oft war allerdings nicht die Strafrechtsnovelle, sondern vielmehr Justizminister Wolfgang Brandstetter Ziel der Kritik. Beispielhaft war die Konfrontation des Innsbrucker Rechtswissenschafters Klaus Schwaighofer mit Sektionschef Christian Pilnacek in der ORF-"ZiB 2" Anfang April. Schwaighofer hat sichtlich wenig Ahnung vom Phänomen und tut die Aktivisten als harmlose Spinner ab. Den Argumenten von Pilnacek hatte er nichts entgegenzusetzen.

Ein klein wenig absurd wirkt der Umstand der Diskrepanz bei den Stellungnahmen der Gewerkschafter. Während der ÖGB, namentlich Präsident Erich Foglar, ausführt, dass "Staatsverweigerer" nicht "in die Nähe der Strafbarkeit gerückt" werden sollen, sprechen sich die betroffene Bundesvertretung Justiz im ÖGB und der Zentralausschuss im Justizministerium ausdrücklich für die Einführung einer Sanktionierung für Staatsverweigerer aus.

Den Anfängen wehren

Ich beobachte die Szene seit Jahren und behaupte, das Gefahrenpotenzial realistisch einschätzen zu können, nicht zuletzt da ich auch Ziel der Staatsverweigerer bin. Das reicht von unrealistischen Geldforderungen – einer der in Krems zu einer Haftstrafe verurteilten "Sheriffs" fordert 666 Milliarden Euro von mir – bis hin zu unverhohlenen Entführungs- und Morddrohungen. Mein angebliches Verbrechen: Ich berichte über die Szene und bin Interviewpartner der Medien. Zwar sehe ich nur eine sehr limitierte Möglichkeit, dass die angedrohte Gewalt auch ausgeübt wird, aber ich würde dennoch dringend empfehlen, den Anfängen zu wehren. Waffenfunde bei Angehörigen der Szene belegen die Notwendigkeit eines massiven behördlichen Vorgehens.

Dass die Justiz mit den bislang zur Verfügung stehenden Möglichkeiten kein effizientes Auslangen zur Bekämpfung und Eindämmung der Szene an der Hand hat, ist belegt. Ende April wurde die selbsternannte "Präsidentin" des illegitimen Konstrukts "Staatenbund Österreich" samt 25 ihrer Unterstützer festgenommen. Vor knapp einem Jahr wurde ein Verfahren gegen sie unter anderem wegen Hochverrats, Amtsanmaßung und Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung eingestellt. Diese Verfahrenseinstellung wird in der Szene als Legitmierung der Aktivitäten gefeiert.

Aktuell sind die Festgenommenen vergleichsweise minderschwerer Delikte wie etwa Betrug beschuldigt. Mit dem neuen Straftatbestand würde der Justiz nicht nur ein adäquates Werkzeug zur Begegnung der Bedrohung in die Hand gegeben werden, auch eine generalpräventive Wirkung allfälligen Sympathisanten gegenüber würde geschaffen werden.

Schutz der Demokratie

Und ja, selbstverständlich ist das eine Art von Gesinnungsjustiz. So, wie auch das NS-Verbotsgesetz Gesinnungsjustiz ist, und das wird hoffentlich niemand ernsthaft infrage stellen wollen. Es geht bei der Einführung des neuen Paragrafen 247a um nichts weniger als den Schutz unserer wehrhaften pluralistischen Demokratie. Ausnahmslos alle organisierten Ausprägungsformen der Bewegung der Staatsverweigerer streben die Einführung einer Autokratie ohne Gewaltenteilung an.

Die Entscheidung über die Sanktionierung der Staatsverweigerer obliegt letztlich dem Nationalrat. Bisher wird dem Phänomen hier allerdings nicht allzu viel Aufmerksamkeit entgegengebracht. Zwei parlamentarische Anfragen wurden eingebracht, beide dienen aber offenbar weniger der Aufklärung und mehr dazu, die eigene Klientel zu bedienen. So wollte etwa die FPÖ erfragen, ob sich unter den Aktiven der Szene Asylwerber befinden würden, wogegen die Grünen die Frage nach Verbindungen zur FPÖ stellten.

Wenn die Strafrechtsreform Ende Juni dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorliegt, sollten die Damen und Herren Abgeordneten sich dessen gewahr sein, dass auch sie Ziel der Aggressionen der unlängst in Krems zu Haftstrafen verurteilten "Sheriffs" waren. Im verfahrensgegenständlichen "Haftbefehl" gegen Erwin Pröll waren in einem Anhang alle Abgeordneten als "Komplizen" zur Festnahme – also Entführung – ausgeschrieben. (Dietmar Mühlböck, 5.5.2017)