Mit einer einleitenden Keynote hat Firmenchef Sundar Pichai am Mittwochabend das zentrale Event des Google-Jahres eröffnet. Rund 7.000 Entwickler sind für die Google I/O ins kalifornische Mountain View gekommen, um sich im Verlaufe von drei Tagen über die aktuellsten Entwicklungen rund um die breite Palette an Services, die der Softwarehersteller im Angebot hat, zu informieren.

Zwei Milliarden User

Und wie aus früheren Jahren gewohnt, konnte Google auch heuer wieder mit einigen Neuankündigungen aufwarten. Zunächst gab es aber einmal neue Zahlen zu verkünden. So werden derzeit bereits mehr als zwei Milliarden Geräte mit Android aktiv genutzt, verkündete der Google-Boss.

Google-Chef Sundar Pichai eröffnet die Google I/O 2017.
Foto: Google

Künstliche Intelligenz

Als Google im Vorjahr erstmals seinen Assistant der Öffentlichkeit präsentierte, stellte Pichai eines unumwunden klar: Künstliche Intelligenz und Maschinenlernen sind für Google nicht irgendein Thema unter vielen, "AI First" soll künftig die Parole heißen.

Seitdem hat man zahlreichen eigenen Produkten smarte Features verpasst und auch diverse Geräte mit dem eigenen Sprachassistenten auf den Markt gebracht. Vor wenigen Wochen folgte dann die Öffnung des Assistant für andere Hersteller. Und diesen Fokus unterstreicht man bei der diesjährigen Ausgabe der I/O, indem man dem Thema eine zentrale Rolle bei der Keynote zukommen lässt.

So soll das Smart-Reply-Feature, das bisher auf den alternativen Gmail-Client Inbox beschränkt war, nun auch dem Haupt-Client zur Verfügung stehen – und damit mehr als einer Milliarde User. Zudem betont Pichai, dass man im vergangenen Jahr generell massive Fortschritte im Bereich Spracherkennung gemacht hat. Die Fehlerrate sei seit Dezember 2016 von 6,1 auf 4,9 Prozent reduziert worden.

Google Lens

Die erste große Ankündigung nennt sich Google Lens, das die Maschinenlernfähigkeiten von Google mit der Kamera eines Smartphones kombinieren will, sollen doch damit künftig Objekte identifiziert werden können. Das geht so weit, dass beispielsweise Lokale identifiziert werden, wenn sie mit der Kamera anvisiert werden, und passende Metainformationen wie Bewertungen geliefert werden. Das Ganze erinnert an frühere Lösungen wie Google Googles oder auch so manches, das Samsung am Galaxy S8 bietet. Google Lens soll als Teil von Google Photos in den kommenden Monaten verfügbar sein.

Cloud TPU

Im Vorjahr hat Google erstmals unter dem Namen Tensor Processing Unit einen Prozessor für Maschinenlernaufgaben vorgestellt. Nun folgt unter dem Namen "Cloud TPU" die nächste Generation, die deutlich mehr Leistung bringen und auch Kunden der Google Cloud zur Verfügung stehen soll.

Foto: Google

Unter dem Namen Google.ai will Google all die eigenen Bemühungen im Bereich Künstliche Intelligenz unter einem neuen Dach zusammenfassen. Um den Aufbau eigener neuronaler Netze zu vereinfachen, greift Google – zu neuronalen Netzen. AutoML nennt sich dieses neue Angebot des Unternehmens.

Google Assistant

Neues gab es auch rund um den Google Assistant: So werden dessen Konversationsfähigkeiten ausgebaut, sodass das Smartphone deutlich besser verstehen soll, worauf sich die User beziehen. Dabei kann auch Google Lens genutzt werden, um Objekte oder Text in der Umgebung zu erkennen und dann dem Assistant dazu passende Fragen zu stellen. Außerdem wird die Sprachunterstützung des Assistant auf Google Home ausgebaut – neu hinzu kommen etwa Deutsch und Japanisch. All das wird aber erst im Verlauf der kommenden Monate nach und nach veröffentlicht werden.

Die Konversationsfähigkeiten des Google Assistant werden weiter ausgebaut.
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Bisher auf ausgewählte Android-Geräte beschränkt, dehnt Google die Verfügbarkeit seines digitalen Assistenten auf hunderte Millionen weitere Smartphones aus: Ab sofort lässt sich der Google Assistant nämlich auch auf iPhones nutzen, dies bestätigt das Unternehmen nun offiziell. Mittlerweile ist die App auch schon im iTunes App Store verfügbar. Für europäische User bleibt das allerdings bisher ein theoretisches Vergnügen, wird es den Assistant doch vorerst nur auf US-iPhones geben. Wann die Verfügbarkeit auf andere Regionen ausgedehnt wird, verrät das Unternehmen noch nicht.

Google Home

Mit Google Home hat das Unternehmen einen eigenen Amazon-Echo-Konkurrenten im Angebot, in dessen Kern der Assistant steht. In den kommenden Wochen soll der smarte Lautsprecher in weiteren Ländern an den Start gehen – darunter auch in Deutschland. Zudem gibt es auch neue Features, so können mit Home künftig Anrufe vorgenommen werden, und zwar – in den USA und Kanada – auch kostenlos und sogar an Festnetztelefone. Einen Plan zur Veröffentlichung dieses Features in anderen Regionen gibt es bisher noch nicht.

Foto: Google

Wichtig für den Erfolg solcher Assistenten ist natürlich die Unterstützung durch Drittservices, in Zukunft können also auch Streams vom kostenlosen Spotify oder Soundcloud übernommen werden. Und wer lieber lokal Musik abspielen will, kann dafür nun auch Bluetooth-Verbindungen nutzen.

Ebenfalls neu: Google Home kann nun einzelne Informationen an andere Geräte schicken, um etwa den eigenen Zeitplan am TV anzuzeigen – vorausgesetzt, an diesem hängt ein Chromecast. Dazu wird ein eigenes minimales Interface präsentiert, das entfernt an das neue Android TV erinnert, allerdings zur Gänze via Sprache gesteuert wird.

Google Photos

Eines der erfolgreichsten neuen Services des Unternehmens der letzten Jahre ist Google Photos. Und auch dort setzt man an vielerlei Stellen bereits auf Maschinenlernen, etwa um Personen und Objekte zu erkennen. Diese Stärken will man für die mittlerweile 500 Millionen (monatlich aktiven) User, die laut Google täglich 1,2 Milliarden Fotos und Videos hochladen, weiter ausbauen.

Unter dem Namen Suggested Sharing gibt es ein neues Feature, das automatisch vorschlägt, Fotos an die Personen, die zu sehen sind, zu teilen – und dies mit einem Klick ermöglicht. Das Ganze funktioniert über einen neuen Sharing-Tab, der in der App und der Web-Version all diese Aufgaben zusammenführt.

Neue Funktionen für Google Photos.
Foto: Google

Ebenfalls neu sind Shared Libraries, mit denen sich Teile – oder auch sämtliche Inhalte – der eigenen Fotobibliothek mit anderen teilen lassen. Dabei ist es etwa möglich, Bilder der eigenen Kinder automatisch mit anderen Familienmitgliedern zu teilen. Beide neuen Funktionen sollen in den kommenden Wochen unter Android, iOS und im Web verfügbar sein.

Photo Books

Unter dem Namen Photo Books erhält Google Photos zudem eine fix integrierte Funktion, um gedruckte Fotobücher zu erstellen. Dabei kann der Service auf Wunsch automatisch die besten Aufnahmen auswählen. Wie von Google gewohnt, sind die Photo Books vorerst nur in den USA erhältlich, und zwar ab 9,99 US-Dollar. Andere Länder sollen folgen, heißt es vage.

Youtube

Zum ersten Mal seit Jahren spielte auch Youtube eine Rolle in der I/O-Keynote, wobei die Chefin des Videoservices, Susan Wojcicki, selbst gekommen war und die Möglichkeiten gerade für sonst wenig repräsentierte Communitys herausstrich. Interessant auch einige der Zahlen, die Wojcicki liefern konnte: So stammen zwar 60 Prozent aller Zugriffe von mobilen Geräten, am stärksten wachse die Nutzung derzeit aber am Fernseher. Und diesen Trend will man mit neuen Features vorantreiben. So können in Zukunft auch 360-Grad-Videos am TV betrachtet werden – und zwar auch live.

Youtube-Chefin Susan Wojcicki.
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Android

Für den Schluss hatte man sich jenes Thema aufgehoben, das die Anwesenden ganz hörbar am meisten interessierte: Android. So zeigte man etwa erstmals ein vollständig neues User Interface für Android TV. Übrigens will das Unternehmen nichts davon hören, dass die eigenen TV-Plattform kaum Anklang findet. Alle zwei Monate würden eine Million neue Geräte mit Android TV aktiviert, heißt es.

O steht für ...

Die erste Vorschau für Android O wurde zwar bereits Mitte März veröffentlicht, rechtzeitig zur I/O gibt es nun aber die erste als wirklich benutzbar angesehene Beta-Version – und weitere Informationen zu der kommende Betriebssystemgeneration. So wurde etwa die neue Bild-in-Bild-Funktion demonstriert, die mit Apps wie Youtube und Duo ermöglicht, das Geschehen dauernd im Blick zu haben, selbst wenn man gerade am Homescreen ist. Natürlich gibt es auch Schnittstellen, mit denen Entwickler dies in ihre eigenen Apps integrieren können.

Foto: Google

Smarte Features

Unter dem Namen "Smart Text Selection" wird das automatische Auswählen von relevanten Informationen verbessert. Dank Maschinenlernen ist es künftig einfach durch einen Doppel-Touch eine Adresse auszuwählen. Diese Feature basiert auf TensorFlow Lite, einer neuen Version von Googles AI-Netz, die vollständig am Smartphone läuft, und künftig auch von speziellen Chips unterstützt werden soll.

"Vitals" nennt Google seine Bemühungen zur Verbesserung von Android. Ein Teil davon ist "Google Play Protect", mit dem die diversen Sicherheitsfunktionen von Google – etwa Antiviren-Scans oder "Find my Device" zusammengefasst werden. Für viele noch wichtiger: Google arbeitet wieder an der Verbesserung der Android-Performance, so soll Android O doppelt so flott booten wie frühere Versionen.

Kotlin

Für Begeisterungsstürme sorgte eine Ankündigung, die vor allem für Entwickler relevant ist. Erstmals wird eine zweite Programmiersprache für die Entwicklung von Android-Apps erlaubt – Kotlin steht künftig also als Alternative zur klassischen Java-Entwicklung zur Verfügung.

Foto: Google

Android Go

Mit Android Go will Google sein Betriebssystem gezielt für Low-End-Geräte und Regionen der Welt ohne dauerhafte Netzanbindung fit machen. Dank spezifischer Optimierungen am Kernel und anderen Betriebssystemteilen, sollen aktuelle Android-Versionen dann auch wieder auf Smartphones mit 512 MB laufen. Passend dazu wird Google zahlreiche seiner Apps für ein solches Umfeld optimieren – vom Offline-Support bei Apps wie Youtube bis zum Play Store, wo schlanke Apps betont werden sollen. Die ersten Geräte mit Android Go sollen 2018 auf den Markt kommen, weitere Details soll es im Verlauf des aktuellen Jahres geben.

Virtual Reality

Mit Daydream hat Google im Vorjahr seine eigene Virtual-Reality-Plattform vorgestellt, die sich – ähnlich wie Carboard oder Gear VR – des Smartphones als Basis bedient. Nun folgt die nächste Hardwaregeneration – und diese funktioniert erstmals vollkommen autonom. In Kooperation mit diversen Partnern – etwa Lenovo, Qualcomm und HTC – arbeite man an Brillen, die die gesamte Logik fix beinhalten, also weder Smartphone noch PC benötigen. Dank "Worldsense" – wie Google sein Inside-Out-Tracking nennt – sollen diese auch die Umgebung der User und deren Bewegungen erfassen können. Konkrete Details wollte man zu all dem aber derzeit noch nicht nennen.

Google

Gleichzeitig soll Daydream künftig auch auf deutlich mehr Geräten genutzt werden können – etwas das bisher einen Schwachpunkt von Googles Plattform darstellt. So soll aber Sommer auch das Galaxy S8 Daydream-Support via Update nachgeliefert bekommen.

Tango

Mit dem Project Tango arbeitet Google aber auch noch an der Weiterentwicklung von Augmented Reality. Im Zusammenspiel mit Google Maps soll damit künftig Indoor-Navigation möglich werden – Visual Positioning Service (VPS) nennt Google dies. (Andreas Proschofsky aus Mountain View, 17.5.2017)

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