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Zwei Verlierer – aber in unterschiedlichem Ausmaß: Marine Le Pen (links) und Norbert Hofer.

foto: aps/neubauer

Bei allen Unterschieden zwischen den beiden Ländern und politischen Systemen: Die am Sonntag in Frankreich geschlagenen Präsidentschaftswahl und jene vor fünf Monaten in Österreich haben einiges gemeinsam. Das wiederum, was anders verlief, ist vor allem für die politische Verfasstheit Österreichs von Bedeutung.

Gemeinsam ist zum Beispiel, dass ein Rechtsextremen-Sieg sowohl in Österreich als auch in Frankreich negative oder gar zerstörerische Folgen für die EU gehabt hätte. Die europaweite Aufmerksamkeit war daher auch der Kür im sonst weniger im Fokus stehenden kleinen Land Österreich sicher. Ähnlich ist auch der Ausgang der Wahl: Mit Emmanuel Macron in Frankreich und Alexander Van der Bellen in Österreich konnten sich die Gegenkandidaten zu Vertretern nationalistischer, auf Abschottung setzender Bewegungen durchsetzen, Marine Le Pen und Norbert Hofer.

Die Stärke der Rechtsextremen

Doch was ist anders? Hier ist vor allem der Abstand zwischen den beiden jeweiligen Kandidaten zu nennen: die Frage, wie viele Stimmen Le Pen und Hofer trotz Niederlage jeweils auf sich vereinen konnten.

In Frankreich schnitt Le Pen mit 33,9 Prozent ab – in Österreich erreichte Hofer im zweiten Stichwahl-Durchgang 46,2 Prozent der Stimmen. Also haben in Österreich weit mehr Wählerinnen und Wähler als in Frankreich einen rechtsextremen Kandidaten als Präsidenten befürwortet oder dessen Gesinnung aus anderen Gründen in Kauf genommen.

Straches Eigenlob

Warum ist das so? Die FPÖ sei eben besser als der Front National, setzte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Sonntagabend im ORF-"Im Zentrum" auf Eigenlob. Seine Argumente: Le Pens Hin und Her in Sachen Euro und EU-Austritt sowie ihre – wie er sagte – "linken" sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen.

Die Österreich-Wahl sei deshalb knapper ausgegangen, weil sie vor dem Amtsantritt Donald Trumps in den USA stattgefunden habe – und Trumps Politik in der Praxis abschreckend sei, hieß es wiederum Sonntagabend bei "Anne Will" in der ARD.

Salonfähige FPÖ

Es gibt aber auch noch eine andere Erklärung: die politischen Realitäten in Österreich, konkret den Umstand, dass die FPÖ unter inzwischen jahrzehntelangem tatkräftigem Mitwirken von Regierungspolitikern immer salonfähiger geworden ist.

Das hat nicht nur mit dem bereits erfolgten Tabubruch, der schwarz-blauen Koalition auf Bundesebene zwischen 2000 und 2005, zu tun, die aufgrund der wirtschaftskriminellen Energie mancher FPÖ-Proponenten vielen Menschen in Österreich in schlechter Erinnerung ist. Sondern es ist vor allem ein inhaltliches Problem: Wichtige Proponenten der ÖVP und der SPÖ sind in ihren Aussagen vor allem zu Asyl- und anderen Ausländerfragen von Vertretern der FPÖ nicht mehr zu unterscheiden.

Doublebind-Effekt

Und eine Reihe SPÖ- und ÖVP-Granden vermitteln seit Monaten, dass eine Koalition mit der FPÖ im Bund auch nach der nächsten Wahl für sie nicht ausgeschlossen ist – in Frankreich ein No-Go.

In Österreich führt dieses Verhalten zu einem Doublebind-Effekt. Denn andererseits warnen Politiker derselben Parteien vor einer Renationalisierung durch die FPÖ. Diese Warnung könne nicht ganz ernst gemeint sein, mochte sich daher so mancher politisch weniger Interessierte in Österreich gedacht haben. Und trotzdem Hofer angekreuzelt haben. Dessen im Frankreich-Vergleich besseres Ergebnis dürfte also das Symptom einer allgemeinen politischen Abwehrschwäche gegen den Rechtsextremismus sein. (Irene Brickner, 8.5.2017)