Eine sichere Bindung zum Baby ist prägend für das ganze Leben.

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Salzburg – Eine "sichere Bindung" zwischen Eltern und ihrem Säugling ist die Grundvoraussetzung für ein glückliches Leben – darin sind sich alle Experten einig. "Sicher gebundene Kinder können später Probleme besser bewältigen, sind ausdauernder, flexibler, empathischer und haben eine bessere Sprachentwicklung", weiß der Münchner Kinder- und Jugendpsychiater Karl Heinz Brisch aus langjähriger Erfahrung.

Aber wie können Eltern diese sichere Bindung zu ihrem Kind aufbauen? Woher sollen sie wissen, wie die vielfältigen Signale ihres Babys zu entschlüsseln sind? Als Antwort auf die große Unsicherheit junger Eltern hat Brisch schon vor Jahren das Programm Safe (Sichere Ausbildung für Eltern) entwickelt. In Kursen lernen Väter und Mütter, die Signale und Bedürfnisse ihres Kindes zu erkennen, richtig zu deuten und angemessen darauf zu reagieren.

"In unserer bisherigen Forschung konnten wir zeigen, dass sich Eltern, die in ihrer Kindheit selbst schlechte Erfahrungen gemacht haben, nicht sehr gut in ihr Baby einfühlen können", sagt Brisch. "Ihnen kann man aber durchaus helfen, wie das Münchner Safe-Projekt zeigt."

Als Inhaber des weltweit ersten Lehrstuhls für Early-Life-Care und Leiter des gleichnamigen neuen Instituts an der Paracelsus-Privatuniversität in Salzburg will Brisch auf diesen Erkenntnissen aufbauen. Konkret soll in einer Längsschnittstudie bereits ab der Schwangerschaft untersucht werden, wie sich psychische Belastungen der (werdenden) Eltern – von Depressionen und Ängsten bis hin zu psychiatrischen Erkrankungen – auf den Umgang mit dem Säugling auswirken.

Depressive Eltern

So ist zum Beispiel bekannt, dass sich depressive Eltern schwerer auf ihr Kind einstellen können und langsamer auf dessen Signale reagieren, da sie übermäßig mit ihrer eigenen inneren Welt beschäftigt sind. Bei Angststörungen wiederum kommt es häufig zu Überreaktionen. "Wir werden uns in dieser Studie deshalb auch die Elternbiografien sehr genau anschauen", erklärt der Psychiater.

Wenn die Mutter etwa kurz vor der Geburt einen Elternteil verloren hat, kann ihre unaufgearbeitete Trauer in einer Depression münden, die sich negativ auf die Bindung zu ihrem Kind auswirkt. "Mit diesem Wissen können wir der Mutter schon während der Schwangerschaft helfen, wodurch sich die Bindung zu ihrem Kind verbessern wird", so Brisch.

Anhand differenziert ausgewerteter Tiefeninterviews mit den werdenden Eltern über ihre eigenen positiven und negativen Bindungserfahrungen könne man bereits vor der Geburt des Kindes relativ treffsicher prognostizieren, wie die Beziehung zu ihm sein wird, wenn es ein Jahr alt ist. "Gerade dann, wenn die Auswerter dieser Interviews die Eltern gar nicht kennen, bekommt man auf diese Weise sehr objektive Befunde und Voraussagen", betont Brisch.

Eltern sollten wissen, dass Babys mit ihrem Verhalten alte, im Unterbewusstsein gespeicherte Erinnerungen in ihnen wachrufen können. So kann ein endlos schreiender Säugling mitunter kaum zu steuernde Emotionen bei den Eltern auslösen, wie es in vielen Fällen von Kindesmisshandlung passiert. Durch das sogenannte Bindungsinterview können unverarbeitete Traumata freigelegt und mit therapeutischer Hilfe aufgearbeitet werden.

Eine freiwillige Beratung in "Elternschulen" wird in ganz Österreich angeboten. In Finnland etwa gibt es diesbezüglich ein Anreizsystem: "Die Eltern bekommen eine Grundausstattung für ihr Baby um 300 Euro, wenn sie an der Elternschule teilnehmen", berichtet Brisch.

Einfluss auf Psychodynamik

Die Investition lohnt sich: Frühe Bindungserfahrungen haben einen großen Einfluss auf die Psychodynamik innerhalb diverser Gruppen. "Kinder mit schlechten Bindungserfahrungen tun sich in Gruppen oft sehr schwer", sagt Brisch. "Sie sind weniger empathisch, haben Ängste und werden leichter zu Mobbingopfern." Leben sie ihre Ängste aus, können diese Kinder in Gruppen wiederum sehr aggressiv auftreten. "Schließen sich mehrere davon zusammen, können sie mitunter die ganze Schulklasse terrorisieren", sagt Brisch. "Mit diesen Kindern muss man ihre Bindungsgeschichten aufarbeiten."

Mit der der Macht von Gruppenbindungen wird sich übrigens auch die von Brisch organisierte 16. Internationale Bindungskonferenz im September in Ulm beschäftigen. Dabei wird es etwa um die "digitale Nabelschnur zur Welt" und ihre Bedeutung für Bindungen gehen, um den Einfluss der Peer-Gruppe auf aggressives Verhalten und Mobbing in der Adoleszenz oder die Bedeutung der Gruppenbindung bei der Prävention von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. (Doris Griesser, 10.5.2017)