Sebastian Kurz hat Freitagvormittag eine Erklärung abgegeben: "Vorgezogene Neuwahlen wären der richtige Weg."

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Wien – Außenminister und ÖVP-Zukunftshoffnung Sebastian Kurz hat mit seiner Neuwahlforderung zwar Kanzler Christian Kerns (SPÖ) Angebot einer "Reformpartnerschaft" abgelehnt – sollte er Parteichef werden, will er bis zum Sommer trotzdem noch einige Vorhaben mit der SPÖ umsetzen, die bereits ausgemacht und ausverhandelt seien. Der Wahlkampf solle dann "kurz und fair" im September stattfinden. Kern will mit wechselnden Mehrheiten weiterregieren und droht der ÖVP das Ende der rot-schwarzen Zusammenarbeit für "sehr lange Zeit".

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Kurz hatte am Freitagvormittag als Bedingung für die Übernahme des Parteivorsitzes eine Neuwahl genannt. Der Kanzler hatte unterdessen schon bei den Oppositionsparteien ausgelotet, wie sie zu den Inhalten seines "Plans A" und des Regierungsprogramms stehen. Im Parlament könnte ja bei einem Neuwahlbeschluss bis zum tatsächlichen Urnengang im Herbst eine Phase des freien Spiels der Kräfte beginnen.

Es sei ihm bewusst, dass Neuwahlen nicht populär seien, auch in Teilen der ÖVP. Zwar gebe es das Angebot von Kanzler Kern an ihn, die Regierung fortzusetzen, aber: "Nur Köpfe auszutauschen und so zu tun als wäre nichts gewesen", sei nicht zielführend, merkte Kurz an. Wenig später wäre man aber genau dort, wo man immer sei, nämlich bei "Minimalkompromissen", stellte er fest.

Entscheidung bei Parteivorstand

Offen ließ Kurz in dem knapp sechs Minuten langen Statement, ob er auch tatsächlich die Obmannschaft der ÖVP übernimmt. Hierzu formulierte er als Bedingungen – neben der Neuwahlforderung-, dass der neue Obmann die Möglichkeit haben muss, die inhaltliche Linie vorzugeben und Personalentscheidungen zu treffen.

Eine Entscheidung darüber werde es am Sonntag geben, wenn die Parteigremien tagen, sagte Kurz. Überraschungen dürfte es dabei aber nicht mehr geben, sprachen sich dafür doch am Rande der Landeshauptleutekonferenz im Alpbach – und auch abseits davon – die ÖVP-Landesparteien geschlossen für Kurz als neuen Chef und Neuwahlen aus. Auch aus den ÖVP-Bünden kam schon vor dem Bundesparteivorstand Zustimmung zu dessen Forderungen. Auch dass es die ÖVP ist, die nun Neuwahlen ausruft, wird parteiintern nicht negativ gewertet.

SPÖ will weiterregieren – mit wechselnden Mehrheiten

Bundeskanzler Kern will nach der Neuwahlansage von Außenminister Kurz mit wechselnden Mehrheiten weiterregieren und droht der ÖVP das Ende der rot-schwarzen Zusammenarbeit für "sehr lange Zeit" an. Zugleich fordert der Kanzler gegenüber der Tageszeitung "Die Presse" eine Entschuldigung von Kurz und ÖVP.

"Wir wollen keine Neuwahlen, wir werden weiter versuchen im Parlament sachpolitische Lösungen zu erzielen – und das auch, falls nötig, mit wechselnden Mehrheiten." Ob man dies als Minderheitsregierung bezeichnen will, sei eine Geschmacksfrage, erklärte Kern in der "Presse". "Wenn uns die ÖVP den Stuhl vor die Tür stellt, bedeutet das auch das Ende für eine rot-schwarze Zusammenarbeit für sehr lange Zeit."

Kern will Entschuldigung von Kurz

Kern verlangt darüber hinaus eine Entschuldigung von Kurz und der ÖVP. Er sei im Zusammenhang mit seinem Angebot einer "Reformpartnerschaft" der Unehrlichkeit bezichtigt worden, das lasse er sich nicht bieten. Und Kern warnte Kurz davor, seine Familie in die politische Auseinandersetzung zu ziehen. Hintergrund: Die ÖVP hatte Kerns Sohn Niko heftig kritisiert, weil dieser Kurz in einem später gelöschten Tweet mit dem ugandischen Diktator und Massenmörder Idi Amin verglichen hatte.

"Die Presse" zitierte darüber hinaus ein hochrangiges SPÖ-Regierungsmitglied, das den Außenminister im Namen von Kern zum Rücktritt auffordert: "Wenn er nicht will, soll er sofort zurücktreten. Wir haben noch Optionen."

Der rote Klubobmann Andreas Schieder ließ wissen, man würde die anstehenden Vorhaben "am liebsten mit der ÖVP" beschließen, "aber auch mit anderen Abgeordneten". Von der SPÖ gab es heftige Kritik am Vorgehen des Außenministers. "Kurz hat klargemacht und aufgedeckt, warum die letzten Monate permanent blockiert worden ist. Es ist einfach nur darum gegangen, mutwillig Neuwahlen vom Zaun zu brechen", sagte der SPÖ-Klubchef. Ob es tatsächlich zu vorgezogenen Wahlen kommt, wollte Schieder noch nicht abschätzen.

Nur FPÖ über Neuwahlen erfreut

Kurz zeigt nun offenbar grundsätzlich Bereitschaft, mit der SPÖ noch die eine oder andere Maßnahme zu beschließen: Für den Fall, dass es eine Neuwahl gibt und er wie erwartet Parteiobmann wird, soll es laut seinem Umfeld einen "fairen Übergang" und einen "geordneten und zivilisierten Umgang miteinander" geben, bei dem man "versucht, das, was im Regierungsprogramm ausgemacht und auch schon ausverhandelt ist, bis zum Sommer umzusetzen". Um welche Maßnahmen es genau geht, wurde nicht konkretisiert. Im September solle es dann jedenfalls "einen kurzen und fairen Wahlkampf" geben.

Die Freiheitlichen sehen Neuwahlen als "einzige saubere Lösung". Generalsekretär Herbert Kickl erklärte am Freitag, ein blauer Antrag liege schon seit längerer Zeit im Parlament. An der FPÖ werde also Kurz' Wunsch nach Auflösung des Nationalrats nicht scheitern.

Grüne: Zustimmung nicht vor Juni

Anders sehen das die Grünen. Sie sprechen sich gegen einen raschen Neuwahlbeschluss aus. Parteichefin Eva Glawischnig sagt im STANDARD-Gespräch, ihre Partei werde Neuwahlen nicht vor Ende Juni zustimmen. Davor müsse der Eurofighter-Untersuchungsausschuss Fahrt aufnehmen und die Bildungsreform unter Dach und Fach gebracht werden, auch die Ökostromnovelle ist aus Sicht der Grünen ein Muss.

Sollte der U-Ausschuss abgedreht werden, ohne dass man mit dem Abarbeiten der Ladungsliste begonnen habe, wäre das "ein schwerer Schaden für die Demokratie", so Glawischnig. Die Bildungsreform "nach monatelangen Verhandlungen einfach in den Kamin zu schieben, würde kein Mensch in Österreich verstehen". Die Grünen-Chefin sieht zudem "keinen Grund zur Eile" bei einem Neuwahlbeschluss. "Unser vorrangiges Interesse ist, bis Ende Juni weiterzuarbeiten."

Neos sehen Regierung am Zug

Nach der Neuwahlforderung Kurz' sehen die Neos jetzt jedenfalls die Regierung am Zug. Einen Neuwahlantrag würde man voraussichtlich unterstützen, heißt es von einer Sprecherin zum STANDARD. Am Donnerstag hatte es bereits ein Treffen zwischen Parteichef Matthias Strolz und Bundeskanzler Kern zu der Frage gegeben, ob die Pinken bestimmte Projekte der SPÖ unterstützen würden. Danach erklärte Strolz, dass es darum gehe, vor Neuwahlen noch einige "Lösungen über die Kante zu bringen".

Insgesamt gibt es 13 Punkte, die die Neos mit Kern umsetzen wollen. Darunter etwa mehr Geld für Brennpunktschulen, die Abschaffung der kalten Progression, eine Senkung der Parteienförderung und eine erste Zusammenführung der Sozialversicherungen.

Das Team Stronach wird einen Neuwahlantrag nicht unterstützen.

Die schwarzen Landeshauptleute unterstützen Kurz' Kurs, auch die Bünde der Partei signalisierten Zustimmung für Neuwahlen. (APA, koli, mte, sterk, völ, 12.5.2017)