Der größte Erfolg der Grünen liegt kaum ein halbes Jahr zurück. Der ehemalige Bundessprecher Alexander Van der Bellen wurde nach einem aufreibenden einjährigen Wahlkampf Bundespräsident. Was vor wenigen Jahren noch undenkbar war, als der grüne Zugang zur Politik bei Konservativen noch Schnappatmung auslöste, wurde durch den Wahlsieg plötzlich als mehrheitsfähig und verbindend betrachtet. Am Erfolg ihres Vorgängers war Grünen-Chefin Eva Glawischnig maßgeblich beteiligt.

Der Schwung, der Van der Bellen in die Hofburg brachte, wollte genutzt werden. Es kam aber ganz anders. Anstatt sich zu profilieren, wurde intern gestritten. Peter Pilz eröffnete erneut einen Richtungsstreit zum Thema Linkspopulismus, der vor allem medienwirksam geführt wurde. Kaum kehrte Ruhe ein, sorgte der Streit mit den Jungen Grünen, die letztlich rausgeworfen wurden, für den nächsten Wirbel. Und dann war da noch Wien, wo sich die Grünen im Ringen um das Heumarkt-Bauprojekt in einer Nachfolgedebatte um Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou befinden. Der Van-der-Bellen-Effekt war verpufft, die Parteichefin auf einmal angezählt.

Von der Umweltaktivistin zur Parteichefin: Eva Glawischnig.
Foto: Urban

Dabei kann sich die Bilanz der Grünen unter Glawischnigs Führung sehen lassen: Seit die 48-Jährige 2008 von ihrem Vorgänger und Mentor Van der Bellen die Partei übernahm, hat sie die Bewegung schrittweise vorangebracht. Sie verbuchte Zugewinne, machte die Partei regierungsfähig und verankerte die Grünen in sechs, heute fünf Landesregierungen.

Wenn auch die gebürtige Kärntnerin nicht die erste Frau in Österreich an der Spitze einer Partei war – manchmal dürfte es sich so angefühlt haben. Das sprach die zweifache Mutter auch in ihrer Rücktrittsrede am Donnerstag an.

Immer wieder vorgehalten wurden ihr Society-Auftritte mit ihrem Mann, dem früheren Moderator und Kurzzeit-"Dancing Star" Volker Piesczek. "Der Grat, was man alles machen darf, ist viel schmäler", klagte sie vor einigen Jahren offen. Bis zuletzt polarisierte Glawischnig stark. "Publicitygeil" sei sie und "abgehoben" sowieso, hieß es beispielsweise in Postings. Der Aggressivität in den sozialen Netzwerken begegnete sie zwar kühl mit Klagen. Verletzungen blieben. "Sie hat zwei Gesichter", sagt ein Grüner: "Privat ist sie lustig, herzlich und offen. In ihrer öffentlichen Rolle hat sie sich einen Panzer zugelegt."

Freiheitlich geprägte Familie

Dabei kennzeichnet die stets gut vorbereitete grüne Frontfrau ein pragmatischer Zugang zu Politik. In den Anfangsjahren waren die Grünen stets zerstritten und wechselten Obleute schneller als die ÖVP heute. Ihr Talent, kombiniert mit Ehrgeiz, machte sie aber eben nicht nur beliebt, sondern bot auch viel Angriffsfläche.

Eva Glawischnig wuchs mit zwei Geschwistern am Millstätter See als Wirtshaustochter in einem freiheitlich-konservativ geprägten Zuhause auf. Bald emanzipierte sie sich von ihrem Elternhaus. Es war bloß die Musik, die verband. Glawischnig sang Austropop in der Gerald Gaugeler Band, mit dem Song Gelati landeten sie in den Charts. Weil sie die Aufnahmeprüfung für das Jazzstudium nicht schaffte, inskribierte sie Jus.

Ihre ersten politischen Gehversuche unternahm sie bei Protesten in Graz in den 1990er-Jahren gegen ein Schnellstraßenprojekt im Ennstal, dockte dann bei der Umweltorganisation Global 2000 an, wo sie auf ihren Wegbegleiter Lothar Lockl traf, der jetzt selbst in der Reihe der möglichen Nachfolger gehandelt wird. Der Versuch, für die Grünen 1996 in den Wiener Gemeinderat einzuziehen, scheiterte. Drei Jahre später schaffte sie ein Mandat- im Nationalrat. Die Familie war zu Beginn nicht begeistert, später wählte der Vater grün.



Glawischnig übernahm von Alexander Van der Bellen die Grünen und führte die Partei neun Jahre lang mit aktionistischem Einsatz.
Foto: Fischer

"Sie hat historische Leistungen mit den Grünen erzielt", sagt Politikberater Thomas Hofer. Das sei ihr durch eine Professionalisierung der Kampagnen gelungen – eben auch sichtbar beim Van-der-Bellen-Wahlkampf – und die Organisation der Parteistruktur. Glawischnig und ihren Strategen sei es zu verdanken, dass die Grünen bundesweit als eine Marke mit einer Erzählung auftreten. Diese kommt aber nicht überall gut an. Als Wohlfühlkampagnen und Verwässerung der grünen Inhalte wurden viele affichierte Plakate geschmäht, die nicht ins festgefahrene Bild der Ökopartei passten. Immer mit Kritik vorne dabei: Johannes Voggenhuber, der 2009 nicht mehr auf die Liste für die EU-Wahl kam und diese Schmähung nie verwunden hat.

Die Wahlerfolge gaben ihr dennoch recht, brachten aber neue, bisher nicht gekannte Probleme. Die Kluft zwischen Oppositionsarbeit im Bund und Regierungsarbeit in vielen Ländern sorgte für Dissonanzen.

Bei der Nationalratswahl 2013 schaffte es Glawischnig, das beste Wahlergebnis der Parteigeschichte mit 12,4 Prozent einzufahren. Es wäre nicht Glawischnig, wenn hier die Freude ungeteilt geblieben wäre. Man sei unter den Erwartungen geblieben, hieß es da.

Politik kann zermürben. Glawischnig hat genug. Die nächste Wahl müssen andere schlagen.

(Marie-Theres Egyed, Peter Mayr, 18.5.2017)