Wolfgang Rosam: "Nur bei einem Thema zahlt sich stringente Diskretion in einem Bewerbungsgespräch aus, nämlich wenn es um den bisherigen Arbeitgeber geht."

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Von "Tabufragen" zu sprechen mag zwar juristisch korrekt sein, in der Praxis gilt die Nichtbeantwortung aber meist als No-Go. Ich habe in meinen 35 Praxisjahren als Inhaber mehrerer Kommunikationsagenturen wahrscheinlich rund 2000 Bewerbungsgespräche geführt und hunderte Menschen eingestellt. Bei jedem dieser Gespräche waren für mich nie Zeugnisnoten oder beeindruckende Lebensläufe ausschlaggebend, sondern stets die Persönlichkeit und die Frage: "Wie wird der/die potenzielle Mitarbeiter/Mitarbeiterin in das Team passen? Wie wird er/sie die Aufgabe bewältigen können, und welchen Zusatznutzen bringt er/sie in der Agentur ein?"

Kein Einblick, kein Job

Hätte mir einer dieser Bewerber, so wie es hier kürzlich von einem Rechtsanwalt juristisch empfohlen wurde, auf bestimmte "heiklere Fragen", wie etwa nach der persönlichen Lebensplanung, der persönlichen Lebenssituation oder Hobbys, keine Antwort gegeben, wäre dieser Kandidat mit Sicherheit nicht in die engere Auswahl gekommen. Wie denn auch? Geht es doch in einem Bewerbungsgespräch primär um emotionale Eindrücke wie Vertrauen, Sympathie oder Konstruktivität.

Ein Bewerbungsgespräch – sollte man es schon einmal bis dahin geschafft haben – ist doch ausschließlich dazu da, um zu überzeugen und den Eindruck zu vermitteln, der perfekte Kandidat für den Job zu sein. Antwortverweigerungen, die zwar aus juristischer Sicht legitim sein mögen, sind psychologisch für den Gesprächsverlauf extrem ungeschickt und führen nicht zum Erfolg.

Wo Diskretion geboten ist

Nur bei einem Thema zahlt sich stringente Diskretion in einem Bewerbungsgespräch aus, nämlich wenn es um den bisherigen Arbeitgeber geht. Kandidaten, die sich in Bezug auf Fragen über ihre bisherigen Arbeitgeber als "zugeknöpft oder diskret" verhalten, sammeln sofort Bonuspunkte. Prinzipiell ist es wie im Privatleben: Wenn uns da nämlich Freunde oder Bekannte allerlei Geschichten und Vertrauliches über gemeinsame Bekannte zu erzählen wissen, reagieren wir doch darauf mit einem gesunden Misstrauen, weil wir davon ausgehen müssen, dass dieselbe Person auch "über uns" "spannende Storys" zu erzählen weiß. Solchen "Freunden" geht man lieber aus dem Weg. Ebenso verhält es sich bei Bewerbern, die über ihre letzten Arbeitgeber alle möglichen Geschichten zu erzählen wissen. Derartig mitteilungsbedürftige Menschen will man nicht in seinem Unternehmen haben.

Aber apropos "verbotene" Fragen nach "riskanten Hobbys": Wenn mir jemand über sein Hobby oder seinen Lebensplan in einem Bewerbungsgespräch einen kleinen Einblick gewährt, so gibt er mir doch die Chance, die gesamte Persönlichkeit besser zu erfassen und sie einzuschätzen. Eine positive Entscheidung für eine Aufnahme ist bei einem Gespräch, das von Sympathie und Offenheit geprägt ist, allemal leichter, als wenn sich jemand auf seine juristisch fundierten Rechte einer Antwortverweigerung beruft. (Wolfgang Rosam, 31.5.2017)