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Wer schon so hochschwanger ist, sollte in Wien längst zur Geburt in einem Spital angemeldet sein.

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Die Nachsorge durch Hebammen ist ein Problem: Das Service auf Kasse ist extrem gefragt.

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Auch Termine beim Kinderarzt mit Kassenvertrag fürs Kind zu bekommen, zum Beispiel für im Mutter-Kind-Pass stehende Impfungen, wird zunehmend zur Herausforderung.

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Wer glaubt, erst ein Kind benötige viel Planung, irrt. Der Stress beginnt schon vorher. "Meine Gynäkologin hat mich zeitnah bei Feststellung der Schwangerschaft gefragt, wo ich entbinden will und ob ich eh schon angemeldet bin", erzählt eine Wienerin, die sich dann im Krankenhaus Tulln registrierte. Dort konnte sie sich auch erst später anmelden.

Vor allem in Wien gibt es aber Engpässe, was bei werdenden Müttern für Verzweiflung sorgt, sagt Sigrid Pilz, Wiener Patientenanwältin, im STANDARD-Gespräch. Derzeit existieren in der Bundeshauptstadt für etwa 21.000 Geburten im Jahr neun (öffentliche) Geburtenstationen. Ein Großteil, 11.000 bis 12.000 Entbindungen, entfällt auf Spitäler des Krankenanstaltenverbunds (KAV), etwa 2500 auf das Allgemeine Krankenhaus (AKH), rund 3800 auf die Spitäler der Vinzenz-Gruppe (Göttlicher Heiland und St. Josef), die übrigen erfolgen in privaten Kliniken oder als Hausgeburten.

Gebietskrankenkasse (WGKK) und Stadt haben vor wenigen Wochen eine Infoseite eingerichtet (geburtsinfo.wien), trotzdem fehlt es an Transparenz bezüglich freier Kapazitäten. Zwar müssen sich Spitäler um jede Schwangere mit Geburtssymptomen kümmern, im Regelfall erfolgen aber vorgeburtliche Untersuchungen und Vorbereitungstermine im Geburtsspital.

Zentrale Anmeldung bis 2018

Eine zentrale Anmeldestelle gibt es – noch – nicht, ist laut KAV aber geplant. Spätestens Anfang 2018 soll sie in Betrieb gehen, sagt Mario Földy, der das Projekt leitet. Bei der IT-gestützten Voranmeldung können Schwangere ihre Daten, drei Wunschspitäler sowie Risikofaktoren eingeben. Dann erfahren sie, wo etwas frei ist.

Die lange geforderte Anmeldestelle umfasst die Wiener Gemeindespitäler und die Krankenhäuser der Vinzenz-Gruppe. Das AKH vorerst nicht – laut Földy, da dort vor allem die Kapazitäten für Risikogeburten sind. Ob durch das Anmeldesystem Versorgungsengpässe verhindert werden können, bleibt fraglich. Der dafür nötige Ressourcenausbau passiert nur schrittweise. Heuer gibt es laut KAV in den KAV-Spitälern und dem AKH gemeinsam Kapazität für 14.680 Geburten – knapp 1200 mehr als 2016.

Station in Penzing geschlossen

Die Engpässe für Schwangere in den vergangenen Monaten erklärt Pilz damit, dass die Geburtenstation im Hanusch-Krankenhaus in Penzing geschlossen wurde. 2018 übersiedelt auch die Geburtenstation vom Göttlichen Heiland in Hernals ins Hietzinger St.-Josef-Spital. Pilz' Berechnungen zufolge werden durch die Übersiedlung 700 Plätze fehlen. Zusätzlich fehlt es an Hebammen. Dessen ist sich der KAV bewusst. "Von einem Mangel zu reden, ist übertrieben", sagt Földy, doch Hebammen seien eine knappe Ressource.

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Das weiß auch Pilz. Wenn es weniger Entbindungsmöglichkeiten gebe, "steigt der Entlassungsdruck". Da brauche es genügend ambulante Kassenhebammen für die Nachbetreuung.

Aufstockung der Hebammen

In Wien gibt es 18 Hebammen mit Kassenvertrag, Ende April hat die Wiener Gebietskrankenkasse eine Aufstockung auf 23 beschlossen, die in den nächsten Wochen erfolgen soll. Schwangere haben nun den Anspruch auf die Nachbetreuung durch eine Hebamme, müssen sich aber früh anmelden. Die Kosten einer Wahlhebamme (80 bis 100 Euro pro Besuch) können zwar bei der Krankenkasse eingereicht werden, doch maximal 80 Prozent werden rückerstattet.

Meiste Wahlfacharztrechnungen

Dieselben Modalitäten gelten bei Gynäkologen und Kinderärzten, die Wahlärzte sind. Im Fach Frauenheilkunde werden die meisten Wahlfacharztrechnungen eingereicht. Die Ärztekammer hat in Österreich 423 Frauenärzte mit GKK-Vertrag registriert – ohne Kassen fast doppelt so viele. Bei der Kinderheilkunde ist das Verhältnis ausgeglichen, es bestehen aber große Unterschiede zwischen den Bundesländern.

Gynäkologe Georg Braune beobachtet einen wachsenden Andrang auf Ärzte seines Faches. Der stellvertretende Obmann der Fachgruppe Frauenheilkunde in der Ärztekammer sieht für "Schwangere sowohl ein Spitals- als auch ein Arztproblem". Kollegen könnten keine Patientinnen mehr aufnehmen. Und von Frauenärzten würden immer neue Leistungen verlangt, die früher Spitäler übernahmen und teils gar nicht mit den Kassen verrechenbar seien.

Hürden bei Kinderarztsuche

Ist die aufregende Phase rund um eine Geburt bewältigt, wartet die nächste Herausforderung im Gesundheitssystem auf Eltern: einen Kinderarzt zu finden. In Wien hört man in mancher Kassenpraxis dieses Faches, dass man derzeit keine neuen Patienten aufnehme, in der Peripherie ist das Problem noch größer. Dort fänden sich für Kassenverträge immer seltener Nachfolger, sagt Reinhold Kerbl, Leiter der Kinderabteilung im LKH Leoben und Vizeobmann der Plattform Politische Kindermedizin.

Kerbl fordert im Sinne einer Attraktivierung des Faches eine Nachbesserung des Primärversorgungsgesetzes, damit Kinderfachärzte – wie Allgemeinmediziner – künftig Primärversorgungszentren (PHC) gründen können. Er hofft, "dass sich das in dieser Legislaturperiode noch ausgeht". Man sei in Gesprächen, heißt es dazu aus dem Gesundheitsministerium, man unterstütze Schwerpunktbildungen. Das klingt vorerst de facto nicht nach Plänen für PHCs unter Kinderarztleitung.

Arztsuche in der Obersteiermark

In der Obersteiermark gibt es laut Kerbl derzeit acht Kinderärzte, in drei Jahren dürften es nur mehr drei sein. "Deswegen muss man jetzt reagieren", sagt Kerbl.

Warum die Nachbesetzungen so schwierig sind? "Es ist das schönste Fach, aber man muss eine sehr hohe Frequenz haben", sagt der Arzt. Es werde über viele Einzelpositionen abgerechnet, was großen administrativen Aufwand bedeute. Hinzu komme, dass die Spitalsjobs attraktiver geworden seien – und die Tätigkeit als Wahlarzt. "Mancher Kollege legt den Kassenvertrag zurück, um Wahlarzt zu werden", sagt Kerbl. Das Argument, sich mehr Zeit für den einzelnen Patienten nehmen zu können, sei eben attraktiv. "Aber damit sind wir eindeutig bei der Zwei-Klassen-Medizin." (Marie-Theres Egyed, Gudrun Springer, 30.5.2017)