Hanife Kurtaliqi sieht ihre Zukunft nun wieder im Kosovo.

Foto: ADA

Am Anfang war es nicht wie erwartet, sagt Hanife Kurtaliqi. Sie war im Winter 2014 mit großen Erwartungen in Wien angekommen – doch nur wenige Tage später griff die Fremdenpolizei sie wieder auf. Was folgte, war eine einjährige Odyssee: Zuerst wurde sie vom elften Wiener Gemeindebezirk nach Traiskirchen gebracht, wo sie Zwillinge zur Welt brachte. Später kam sie bei einem Projekt der Caritas in Hollabrunn unter. Dort, sagt sie, "war es sehr schön, aber nicht einmal für ein Jahr". Dann klopfte die Fremdenpolizei wieder an. Hanife Kurtaliqi wurde im November 2015 in den Kosovo zurückgeschoben. Gründe für Österreich, ihr einen längeren Aufenthalt zu genehmigen, lagen nicht vor.

Die 34-Jährige gehört zum großen Kreis jener im jüngsten Balkanstaat, die ihren Weg nach Westeuropa mit der Hoffnung auf ein besseres Leben verbinden. Menschen, deren Beweggründe nachvollziehbar sind, über die Österreich aber sagt, dass man sich nach der Flüchtlingskrise unmöglich auch noch im sie kümmern könne. 80.000 Kosovarinnen und Kosovaren haben in der Auswanderungswelle 2014 und 2015 versucht, das Land zu verlassen: Grund ist meist die Hoffnungslosigkeit: Das Durchschnittseinkommen liegt bei 360 Euro, die Arbeitslosigkeit geht an 30 Prozent – allein eine billige Wohnung in Prishtina kostet 250 Euro. Dass es viele wieder versuchen könnten, liegt auf der Hand.

"Kann jetzt meine Kinder ernähren"

"Wo soll ich sonst hin?", sagt etwa Hanife Kurtaliqi auf die Frage, ob sie im Kosovo bleiben wolle. Aber auch, dass "die einfache Antwort" mittlerweile ja laute. Ihre Zukunft plant sie im Land. Für den Herbst hat sie einen Platz im Kindergarten gefunden. Dann endet eine schwierige Zeit: Derzeit muss sie die Zweijährigen tagsüber bei der Schwester ihres Exmannes unterbringen. Das sei jedes Mal hart. Doch immerhin, sagt sie, sei es Teil einer positiven Entwicklung: "Ich kann jetzt etwas verdienen und meine Kinder ernähren." Kurtaliqi hatte Glück im Unglück: Sozialarbeiter der kosovarischen Mother Theresa Society nahmen sich ihres Schicksals an.

Sie ist eine von 66 Personen, die in ein Programm aufgenommen wurden, das mit Unterstützung der Österreichischen Caritas und der Austrian Development Agency (ADA) Rückkehrern eine Perspektive zuhause eröffnen soll. Kurtaliqi arbeitet seither in einem Frisiersalon in Ferizaj südlich von Prishtina; die Organisation stellte kurzfristig Nahrungshilfe und Material zur Verfügung. Außerdem vermittelte sie den Platz in einem bestehenden Frisiersalon, wo sie auf eigene Rechnung arbeiten darf. Einzig Sozialarbeiterinnen schauen manchmal vorbei.

Viele weitere Fälle

Das Programm funktioniere, sagt Helferin Milinda Gojani: "Ziel war es, den Migrationsdruck zu senken. Und niemand, dem wir geholfen haben, ist weg." Außerdem hat man womöglich Tragödien verhindert. Es gebe viele, die verzweifelt gewesen seien, sagt sie, die nicht mehr gewusst hätten, wie sie ihr Leben im Kosovo je in geordnete Bahnen lenken könnten. Ob auch Sale Gashi dazugehört hat, will Gojani nicht so klar sagen. Derzeit ist der 44-Jährigen, die als sozialer Härtefall in das Programm aufgenommen wurde, jedenfalls keine Verzweiflung anzumerken. Sie präsentiert stolz ihre Arbeit in einer kleinen Schneiderei, deren Besitzerin ihr den Arbeitsraum unbezahlt zur Verfügung stellt. "Jeden Tag kehrt etwas Hoffnung zurück", sagt sie.

Freilich: Es ist alles ein Tropfen auf den heißen Stein. Nur in der Hälfte aller Fälle, die seine Sozialarbeiter registriert hätten, habe man auch etwas tun können, sagt Zef Shala, Chef der Mother Theresa Society. Er hält sein Merkblatt in die Luft. Mehr als hundert unbearbeitete Fälle allein in wenigen Regionen sind darauf vermerkt. Von hunderten weiteren wisse man, ohne sie je formell registriert zu haben, sagt er – und darüber hinaus gebe es wohl um ein Vielfaches mehr Fälle, von denen man gar nichts wisse. Außerdem fürchtet er, dass es mit dem Projekt überhaupt bald vorbei sein könnte: Eine Finanzierung über den Herbst hinaus ist nicht gesichert. (Manuel Escher aus Prishtina, 6.6.2017)