SP-Minister Drozda gibt sich beim Ministerrat verärgert: "Mit einer neuen ÖVP hat das nichts zu tun."

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VP-Minister Mahrer wehrt sich gegen den Vorwurf des Junktims: "Hast führt zu schlechten Lösungen."

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Lange her: 2015 klatschte VP-Verhandler Mahrer die Schulreform mit der damaligen Ministerin Heinisch-Hosek (SPÖ) ab.

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Wien – In der Koalition herrscht zunehmend Funkstille. Wissenschaftsminister Harald Mahrer gehe nicht einmal mehr ans Telefon, wenn Bildungsministerin Sonja Hammerschmid mit ihm über die Schulreform sprechen wolle, klagen die Sozialdemokraten. Ihre Revanche: Die SPÖ brach ihrerseits die Verhandlungen über die Studienplatzfinanzierung ab – weil es nicht mehr anders gehe.

Aufgeschaukelt hat sich die Situation beim Ministerrat am Mittwochmorgen. Verblüfft und enttäuscht gaben sich die SP-Politiker, weil sich der Koalitionspartner beim Ja zur Schulreform ziert. Dabei hatten sich SPÖ und ÖVP bereits im Herbst 2015 grundsätzlich auf das Paket rund um die Ausweitung der Schulautonomie geeinigt. Danach wurde intensiv über den konkreten Gesetzesentwurf verhandelt, bis mit den Grünen auch der Beschaffer der nötigen Zweidrittelmehrheit im Parlament bereitstand.

Reform doch nicht fast geil

Doch nun mache die ÖVP ihre Zustimmung plötzlich von einem ganz anderen Thema – der Studienplatzfinanzierung – abhängig, kritisieren die Sozialdemokraten. "Politik nicht von gestern, sondern von vorgestern", sieht Kanzler Christian Kern dahinter, Minister Thomas Drozda fügt an: "Dabei erinnere ich mich noch an ‘Fast geil’ und ‘High five’."

Worauf der SP-Politiker anspielt: Nach der einstigen Grundsatzeinigung hatte Mahrer, seinerzeit Staatssekretär, mit der damaligen Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek abgeklatscht und die Reform mit dem von Drozda zitierten Lob gepriesen.

Und heute? Dass die ÖVP die Schulreform nur akzeptiere, wenn gleichzeitig die Studienplatzfinanzierung beschlossen werde, sei "ein Gerücht", beteuert Mahrer. Am Dienstag hatte er zwar von einer "große Lösung für die Bildung, vom Kindergarten bis zur Hochschule" gesprochen, dennoch gelte: Es handle sich um "zwei vollkommen unabhängig zu verhandelnde Themen".

Über das Schulpaket wolle die ÖVP noch weiterverhandeln – auch mit der FPÖ. Der blaue Ruf nach vorbereitenden Deutschklassen für Zuwanderer sei legitim, sagt Mahrer und letztlich sei es besser, zwei Oppositionsparteien statt nur einer an Bord zu haben.

FPÖ sieht taktisches ÖVP-Spiel

FPÖ-Bildungssprecher Wendelin Mölzer hält eine Vier-Parteien-Einigung allerdings für "absolut unrealistisch": Der im Paket vorgesehenen Modellregion für die Gesamtschule werde seine Partei nie zustimmen. Für ernsthafte Verhandlungen mit SPÖ und ÖVP stehe er immer bereit, sagt Mölzer, glaubt aber nur an "ein taktisches Spiel": Die ÖVP wolle die Modellregionen nicht, traue sich aber nicht, das zuzugeben.

"Hast führt zu schlechten Lösungen," argumentiert hingegen Mahrer und sieht noch Zeit bis zur Nationalratssitzung Ende Juni. Anders die Ansicht im Büro von SP-Ministerin Hammerschmid. Nachdem auch nach einem Vieraugengespräch zwischen der Bildungsministerin und Mahrer keine Einigung zustande gekommen ist, hält man die Reform für tot. Das Gesetz könne nun nicht rechtzeitig im Unterrichtsausschuss des Parlaments behandelt werden – und einen extra einberufenen Sonderausschuss könnten Oppositionsparteien verhindern.

Die Parlamentsdirektion bestätigt diese Einschätzung allerdings nicht: Wenn – anders als üblich – kein einvernehmlicher Beschluss aller Parteien zustande komme, könne eine Mehrheit jederzeit einen Ausschuss einberufen.

Heimzahlen mit gleicher Münze

Die ÖVP bremst bei der Schulautonomie, die SPÖ bei der Studienplatzfinanzierung – zahlen es sich die Koalitionäre also mit gleicher Münze heim? Ein qualitativer Unterschied sticht ins Auge: Während über das Schulautonomiegesetz monatelang diskutiert wurde, legte Mahrer den Entwurf zu den Universitäten der SPÖ vor gerade einmal einer Woche vor – konkretisierende Verordnungen fehlen noch (siehe unten). Solange sich aus den Bestimmungen nicht ergebe, auf welche Studien Zugangsbeschränkungen zukommen, wollen Kern & Co. nicht zustimmen.

Die Verhandlungen darüber will die Kanzlerpartei erst fortsetzen, wenn sich Mahrer in Sachen Schulautonomie wieder konstruktiv verhalte, ergo: mit der SPÖ an den Tisch setze. Der Gescholtene nahm dies in der Parlamentsdebatte am Mittwoch zum Anlass, den an ihn gerichteten Vorwurf umzudrehen: Es sei die SPÖ, die junktimiere, sagte Mahrer. Konter der roten Bildungssprecherin Andrea Kuntzl: "Das ist kein Junktim, das ist die Gegenwehr zu ihrem Erpressungsversuch." (Gerald John, 7.6.2017)