In der Supergroup Prophets of Rage bündeln Cypress Hill und Rage Against the Machine ihre Kräfte gegen das neue Politestablishment in den USA.

Foto: Herbert P. Oczeret

Der Rapper SSIO (rechts) macht gerne auf dicke Hose mit Bauchtasche. Nicht alles ist dabei immer todernst gemeint. Hoffentlich.

Foto: Herbert P. Oczeret

Nickelsdorf – Von der Pflicht jedes Menschen, einen Baum zu pflanzen, sprach einmal der Künstler Friedensreich Hundertwasser. Ob das Nova-Rock-Festival seine Schuldigkeit an die Natur jemals wird begleichen können, sei dahingestellt. Aber man bemüht sich redlich. Der neueste Clou: Green Camping im Zauberwald. Statt Wüste und Steinbruch gibt es in dieser beschaulichen Grünanlage Bäume. Die spenden nicht nur Schatten, sie dämpfen auch den Schall, filtern die Luft und heben die Stimmung. Trichtertrinker können ihr Sportgerät praktisch an der Wäscheleine trocknen, Spaßzigaretten rollen sich quasi von selbst und ja, sogar Vögel singen hier ihre Liedchen.

Mehr ins Federtierhafte reicht auch die Klangfarbe des Sängers der US-Band Sleeping with Sirens, die den nachmittäglichen Schwerpunkt zum Stilungetüm Post-Hardcore einleitete. Auch bei den nachfolgenden Kollegen von Pierce the Veil ließ sich der Eindruck nicht abschütteln, man habe es mit zweitplatzierten Castingshowbezwingern zu tun. Immerhin der Gesang von Vic Fuentes, der vermutlich auch die Wahl zum Mister Nova Rock mit Abstand für sich entschieden hätte, war standhaft. Wie das noch besser ginge, führten Of Mice & Men vor, wo Sänger Austin Carlile und vor allem Bandneuling Aaron Pauley starke Kontraste und Dynamik in ihre Vokalkunst legten.

Cluburlaub und Kiez-Hip-Hop

Drüben auf der roten Bühne gehörte dieser Nova-Rock-Freitag mehr oder minder dem deutschen Sprechgesang. Längst müssen große Musikfestivals auch eine Vielzahl an Acts aufbieten, die von der stilistischen Ausrichtung abweichen, um zusätzliche Zielgruppen anzulocken. Einmal mehr zeigte sich, dass (sehr) junges Publikum derzeit vor allem deutschsprachigen Spaß-Hip-Hop mit allen Schattierungen abfeiert. Die Combo Jamaram, der ausgeprägten deutschen Reggaeton-Szene zuzurechnen, leierte den Mitmachnachmittag mit Animationstanz und ein bisschen Cluburlaub-Gaudi an. Musikalisch deckt die Münchner Band mit Riesenmoustache am Mikrofon alles ab, was Bewegung in die Hüften bringt: Reggae, Ska, Latin, tropische Sega-Rhythmen und freilich Hip-Hop und freilich mehrsprachig.

Migrantisch gefärbten Slang aus dem Kiez tragen die Rapper SSIO und das derzeit in der Szene durch die Decke gehende Kollektiv 187 Strassenbande vor sich her: "Kuck, meine Kette ist von Drogengeld", heißt es da, und damit wirklich alles klar ist: "Yeah ich bin ein Proll / Es ist alles, wie es soll." Ob die ironische Distanz zu den in alle Richtungen ausgesprochenen Sexismen und Herablassungen dabei wirklich immer gewahrt bleibt, wäre zu hinterfragen. Das allgemeine Unbehagen mit der Political Correctness konnte jedenfalls auch an diesem Nachmittag nicht ergründet werden.

Supergroup zur Rettung der Welt

Mit etwas mehr Hirnschmalz sicherlich startete auf der Hauptbühne die große Show der politisierten Neunzigerjahre-Stars von der amerikanischen Westküste. Prophets of Rage, eine 2016 anlässlich des größten anzunehmenden Politunfalls in den USA formierte Supergroup, setzt sich aus der Instrumentenabteilung von Rage Against the Machine und den Wortakrobaten von Cypress Hill sowie Public Enemy zusammen. Schon in den Neunzigerjahren begründeten die jeweiligen Formationen ihren knallharten, klugen und dabei auch noch massentauglichen Sound auf der Annahme, dass sich Pop den sozialpolitischen Problemen nicht verschließen darf. Heute will man Kräfte bündeln.

Mit Zivilschutzalarm, heftigen Regengüssen und einer kurzzeitig abgesoffenen Soundanlage startete der gut besuchte Auftritt der Prophets in Nickelsdorf. Spielerisch und fein abgestimmt ergossen sich alle maßgeblichen Hits aus dem Rage-Against- und Cypress-Hill-Kosmos über das Publikum. Mit dem Song "Unfuck The World" gab man auch einen Ausblick auf das erste gemeinsame Album, das im September erscheint. Wie schon zuvor bei Rock am Ring holte man Serj Tankian von System Of A Down auf die Bühne, um dem kürzlich verstorbenen Sänger, Kollegen und Freund Chris Cornell mit dem Audioslave-Song "Like a Stone" zu gedenken.

Bewährtes System seit zwölf Jahren

Derart eingestimmt konnte Tankian mit System den Abend routiniert nach Hause singen. Und das nicht alleine. Denn auf neues, dem Publikum vielleicht noch weniger in Fleisch und Blut übergegangenes Material, wartet die Welt bereits seit zwölf Jahren. Noch immer zehrt die Band von den vier mit Wunderproduzent Rick Rubin gebastelten Erfolgsalben, die man zwischen 2001 und 2005 herausbrachte. Angeblich soll neues Liedwerk bereits in der Pipeline warten. Vielleicht allerdings, ist am Ende gerade die Versagung des "Give me more"-Prinzips die widerständigste Geste der Politrocker. Stichwort: Nachhaltigkeit. Womit wir wieder bei den Bäumen wären. (Stefan Weiss, 17.6.2017)