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Ana Brnabić könnte das Beste sein, was Serbien passieren kann – wenn sie wirklich mächtig wäre.

Foto: AP Photo/Darko Vojinovic

Sie ist erfrischend, sachlich, cool, sie sagt, was sie denkt, und ist ganz sicher kein Mäuschen, das sich dirigieren lässt. Die designierte Premierministerin von Serbien, Ana Brnabić, ist wegen ihrer inhaltlichen Kompetenz in Energiefragen und ihrer Kritik an der Freunderlwirtschaft im öffentlichen Dienst allseits anerkannt. Sie könnte das Beste sein, was dem kleinen südosteuropäischen Staat passieren kann – wenn sie wirklich mächtig wäre.

Doch Frau Brnabić ist nicht ohne jenen Mann zu denken, der ihr diese Position ermöglicht: der Präsident und frühere Premier, der omnipräsente Aleksandar Vucić. Er wählte sie aus guten Gründen: Erstens hält eine parteifreie Premierministerin ihm leichter lästige Ansprüche der Fraktion vom Hals, und zweitens ist sie selbst ohne Unterstützung einer Partei völlig auf ihn angewiesen.

Offen ist, wie Brnabić ein Kabinett von 19 Ministern leiten soll, wenn sie selbst nicht einmal Teil der regierenden Fortschrittspartei ist. Geht es nach dem "Chef", soll sie sich aber ohnehin mehr um Wirtschaft als um Politik kümmern. Vucić will mit Brnabić ein Signal an den Westen senden, dass er ganz in Richtung EU und USA ausgerichtet ist, was Russland wiederum ärgert. Die 41-jährige Brnabić, die in den USA und Großbritannien studiert hat, für ein US-Windkraftunternehmen und für die US-Entwicklungsagentur USAID gearbeitet hat, ist mit amerikanischen Infrastrukturunternehmen gut vernetzt. Die bekennende Lesbe wird Vucić zudem nicht in seinem Narzissmus und Sendungsbewusstsein irritieren. Sie ist in Wahrheit viel tougher als er.

Klar ist aber, dass sie schnell wieder Vergangenheit sein kann. Denn Vucić, der sich dauernd selbst inszeniert, dürfte schon bald wieder Parlamentswahlen vom Zaun brechen. Brnabić kann dabei keine Spitzenkandidatin sein. Für ihren Lebenslauf sind allerdings ein paar Monate als Regierungschefin auch nicht schlecht.

Manche werfen ihr vor, sie würde nun Vucićs bedenkliche Machtfülle kaschieren und die starke Homophobie in Serbien "rosawaschen". Die bisherige Verwaltungsministerin selbst meint, dass sie nicht als "homosexuelle Ministerin" gebrandmarkt werden wolle, "so wie meine Kollegen nicht als heterosexuelle Minister bezeichnet werden wollen". Am Freitag wird ihre Wahl erwartet. Brnabić, die gern im offenen Sakko auftritt und ein Faible für Mettwurst hat, wird dann die erste Frau an der Spitze einer serbischen Regierung sein. (Adelheid Wölfl, 20.6.2017)