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Bei Shire droht ein massiver Mitarbeiterabbau.

Foto: Reuters/Suzanne Plunkett

Wien / Orth an der Donau – Die Auszeichnung "pharmazeutisches Unternehmen des Jahres" schützt nicht vor unangenehmen Nebenwirkungen. Der britisch-irische Biotechkonzern Shire, der sich Anfang des Vorjahres den US-Konkurrenten Baxalta einverleibte, streicht in Wien und im niederösterreichischen Orth an der Donau rund 550 Arbeitsplätze.

Im Frühwarnsystem des Arbeitsmarktservice, das immer eine theoretische Maximalanzahl an möglichen Abgängen enthält, wurden sogar bis zu 650 der rund 4000 Mitarbeiter zur Kündigung angemeldet. Ein Großteil der Betroffenen sei in Orth an der Donau im Bezirk Gänserndorf tätig, berichtete die Austria Presse Agentur (APA) unter Verweis auf eine Mitteilung des Unternehmens. Etwa ein Drittel der Betroffenen arbeite in Wien, erfuhr der STANDARD in Konzernkreisen.

Shire teilte mit, dass Bereiche "aus Orth transferiert" würden. Als Ergebnis einer Studie zum Produktionsnetzwerk habe Shire entschieden, die Prozessentwicklung, die "Produktion für Nicht-Gentherapie-Produkte", sowie Research-Positionen, die nicht für Gentherapie oder Hämophilie zuständig sind, aus Orth zu transferieren. Wohin die laut Informationen von Betroffenen überwiegend mit Höherqualifizierten besetzten Arbeitsplätze verlagert werden, dazu gab es keine Informationen.

Stellenverlagerung nach Boston

Eine Unternehmenssprecherin war am Mittwochnachmittag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. "Das Team, das sich auf die Entwicklung von Gentherapie-Produkte spezialisiert, bleibt am Standort", teilte Shire via APA lapidar mit. Klar ist damit: Die Beteuerungen vom Oktober 2016 – da sperrte Shire den Standort Krems mit 65 Beschäftigten zu – hatten kaum ein halbes Jahr Gültigkeit. 2015 waren, damals noch als Baxalto, der abgespaltenen Biotechsparte des Pharmariesen Baxter, 80 Forschungsstellen von Österreich nach Boston verlagert worden. Im März 2016 folgte der Abbau von weiteren 130 Stellen in Österreich. Im Oktober hatte Shire noch betont, dass Österreich mit 4000 Beschäftigten in Wien und Orth ein bedeutender Standort innerhalb des Konzerns sei.

Die Belegschaft war am Mittwochvormittag von der Unternehmensführung über die einschneidenden Maßnahmen informiert worden. Die Kündigungen sollen teils noch heuer ausgesprochen werden, bis Ende 2018 soll der "Übergang", wie Shire den bevorstehenden Totalumbau des auf den österreichischen Plasmahersteller Immuno zurückgehenden Unternehmens kryptisch nennt, abgeschlossen sein. Weltweit beschäftigte die um Baxalta vergrößerte Shire im Herbst des Vorjahres 22.000 Mitarbeiter.

Änderungen bahnten sich seit Wochen an

Die von der Konzernspitze verordneten Änderungen bahnten sich seit Wochen an: Es gibt bereits einen vom Betriebsrat von Shire Austria ausgearbeiteten Sozialplan samt Arbeitsstiftung. Der Sozialplan ist höher dotiert als in vergleichbaren Fällen, berücksichtige Arbeitnehmer über 50, sagte GPA-Regionalsekretärin Barbara Teiber.

Wie die AK Niederösterreich nennt man die Gründe für den massiven Stellenabbau auch in der GPA schwer nachvollziehbar. Es handle sich nicht um eine klassische Produktionsverlagerung zur Senkung von Arbeitskosten, wundern sich Mitarbeiter, die sich beim STANDARD meldeten. Shire sei total auf Science, Patente und bahnbrechende Therapien spezialisiert, habe aber kaum Erfahrung mit Produktion.

In der Luft hängen dem Vernehmen nach die Leiharbeiter. Wie viele bei Shire tätig sind, war am Mittwoch nicht zu eruieren. Der Sozialplan gilt stets nur für die Stammbelegschaft, Leasingkräfte gehen leer aus, werden an die Personaldienstleister zurückgeschickt. (ung, APA, 21.06.2017)