Das Problem mit dem Zucker: Beim Diabetiker bleibt zu viel Zucker im Blut und führt zu Schäden an Nerven, Augen und Organen.

Foto: APA/dpa/Rolf Vennenbernd

Diabetes Typ 2 ist die moderne Volkskrankheit. Rund eine halbe Million Österreicher leiden darunter. Ursache für die Zuckererkrankung ist in den allermeisten Fällen der moderne Lebensstil, der unter anderem zu Übergewicht und Bewegungsmangel und damit zu einem hohen Erkrankungsrisiko führt.

Hauptproblem bei Diabetes ist, dass mit der Zeit die Körperzellen nicht mehr genug auf das Insulin reagieren. Insulin transportiert normalerweise den Zucker aus dem Blut in die Zellen, wo er zu Energie verbrannt wird. Beim Diabetiker hingegen bleibt zu viel Zucker im Blut und führt zu den gefürchteten Schäden an Nerven, Augen und Organen. Ein Medikament, das die Zellen wieder sensitiver auf Insulin reagieren lässt, wäre daher ein Durchbruch bei der Therapie der Erkrankung.

Genau daran arbeitet Stefanie Stanford von der Universität von Kalifornien in San Diego. Mit ihrem Team hat sie ein kleines Molekül entwickelt: Es soll ein Enzym blockieren, das den Insulinrezeptor an den Zellen bei Übergewicht zunehmend inaktiviert. In der Vergangenheit gab es schon öfter Versuche, diese sogenannten Tyrosin-Phosphatasen in ihrer Arbeit zu stören. Allerdings mit erheblichen Nebenwirkungen. Stanfords kleines Molekül hemmt nun gezielt die Produktion des Enzyms Low molecular weight protein tyrosine phosphatase, kurz LMPTP, indem es das Gen, das diese Substanz produziert, einfach abschaltet.

Diabetes wieder umkehren

Aus früheren Untersuchungen war bereits bekannt, dass dieses Gen eine Rolle bei der Erkrankung spielt. Stanfords Team verstärkte daher seine Forschung auf diesem Gebiet. Als sie in ersten Versuchen das Gen in Mäusen ausschalteten und sie danach mit einer fettreichen Diät ernährten, reagierten die Versuchstiere nicht wie üblich mit einem Diabetes, sondern ihr Zuckerstoffwechsel blieb normal.

Stanford wollte wissen, ob das Abschalten des Gens nicht nur prophylaktisch, sondern auch therapeutisch hilft, also bestehende Diabetes umkehrt. Sie gab dafür einen Monat lang bereits an Diabetes erkrankten Mäusen den Genblocker. Und auch hier zeigte sich: "Die Aktivität der Insulinsensoren erhöhte sich, besonders in der Leber, und der Diabetes verschwand ohne Nebenwirkungen", beschrieb Stanford unlängst im Fachblatt "Nature Chemical Biology" ihre Arbeit.

Nebenwirkungen verfügbarer Medikamente

Moderne Medikamente und Insulinspritzen können zwar die gefürchteten Folgeerkrankungen der Zuckererkrankung hinauszögern oder gar verhindern. Doch sie haben Nebenwirkungen, sorgen für Gewichtszunahme und teilweise für gefährliche Unterzuckerungen. Insulin muss zudem gespritzt werden, viele Diabetiker müssen sich trotzdem täglich den Blutzucker messen und auf ihren Lebensstil achten. Heilen können die verfügbaren Therapien den Diabetes auch nicht.

"Eine effiziente therapeutische Option zu haben, die die Insulinsensitivität von Zellen wieder steigert, ist hochinteressant und wäre ein wichtiges Werkzeug für die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2", sagt Harald Sourij, Diabetes-Experte an der Universität Graz. LMPTP sei schon länger Forschungsgegenstand in Bereich der Diabetologie. Das Ausschalten des Enzyms oder die medikamentöse Hemmung steigern das Ansprechen der Zellen auf Insulin und könnten somit eine zukünftige Therapieoption für Diabetes mellitus Typ 2 darstellen, um den Blutzucker wieder in einen ungefährlichen Bereich zu bringen. "Jedoch müssen weitere Untersuchungen erst zeigen, ob dieses Molekül für die Anwendung am Menschen geeignet und auch sicher ist." Derzeit bereitet Stanford erste klinische Tests vor. (Andreas Grote, 23.6.2017)