Der Schutz vor Roaming führt dazu, dass Gespräche ins Ausland aus dem Ausland günstiger sind. So kommt es eine Französin günstiger, für Telefonate nach Deutschland die Grenze zu Belgien zu überqueren.

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Das ist nicht nur für EU-Abgeordnete Viviane Reding (Bild) "absurd".

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Roaminggebühren werden abgeschafft, Anrufe ins Ausland bleiben aber teuer. Das führt zu "absurden" Situationen, wie die konservative EU-Abgeordnete Viviane Reding dem STANDARD erklärt. "Stellen Sie sich vor, Sie sind ein luxemburgischer Vater und möchten Ihren Sohn, der in Wien arbeitet, anrufen. Dann haben Sie allen Grund, die Grenze zu überqueren und von Trier, Arlon oder Thionville aus zu telefonieren – das macht überhaupt keinen Sinn", sagt Reding. Denn wenn ein EU-Bürger sein Heimatland verlässt, schützen ihn die EU-Regeln vor hohen Roaminggebühren – auch wenn der Bürger nicht "nach Hause", sondern in andere EU-Länder telefoniert. Wählt er hingegen von daheim aus eine Nummer im EU-Ausland, werden Kosten für Auslandstelefonie fällig. Diese sind nach wie vor exorbitant.

Bei den österreichischen Mobilfunkern ist zwar oft ein kleines Paket an Freiminuten enthalten, prinzipiell wird pro verbrauchte Minute aber rund ein Euro verrechnet. Damit liegt Österreich im EU-Durchschnitt, was diese Kosten betrifft.

Reding, unter deren Ägide als EU-Kommissarin für Medien und Informationsgesellschaft in den Jahren 2004 bis 2010 bereits das Roaming-Aus initiiert wurde, will deshalb "den Stier bei den Hörnern" packen und einen neuen Anlauf für die Drosselung der Gebühren nehmen. Sie trommelt momentan Mitstreiter aus allen Parteien zusammen, im September soll im Telekomausschuss des EU-Parlaments über ihre Initiative abgestimmt werden.

"Langer Atem" nötig

Unterstützung bekommt sie dafür von den Grünen. "Wir werden Druck auf die neue Digitalkommissarin Marija Gabriel ausüben, damit Auslandstelefonie – genau wie Roaming – schrittweise gedeckelt und dann völlig abgeschafft wird", sagt der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon dem STANDARD. Auch ÖVP-Abgeordneter Paul Rübig hält die Zusatzgebühren für Telefonate ins Ausland für "überhöht, technisch nicht gerechtfertigt" und gegen den "Geist des europäischen Binnenmarkts" verstoßend.

Rübig glaubt, dass ein "langer Atem" nötig sein wird. Denn wie schon beim Aus für Roaminggebühren dürften die Parlamentarier auf den Widerstand nationaler Regierungen stoßen, die in der Vergangenheit ein offenes Ohr für die Bedenken der Telekomkonzerne gezeigt haben. Diese befürchten den Verlust einer weiteren Einnahmequelle. "Es ist klar, dass die Industrie mit Auslandstelefonie – wie zuletzt eben auch mit Roaming – Umsätze generiert, die etwa auch für Investitionen in die Infrastruktur der Zukunft verwendet werden", sagt A1. Auch T-Mobile zeigt sich nicht besonders glücklich über die Initiative der EU-Parlamentarier. Mit Spusu hat immerhin ein Anbieter zuletzt die Gebühren für Auslandstelefonie komplett abgeschafft.

Skype oder Whatsapp

In der Praxis weichen viele Nutzer ohnehin auf Messenger wie Skype oder Whatsapp aus. Die Symbolik für den europäischen Binnenmarkt wird durch die teure Auslandstelefonie jedoch beschädigt. "Europäische Verbraucher sind keine Melkkühe", sagt EU-Abgeordnete Reding, die für den Telekommarkt noch große Pläne hat. "Als Erstes werden wir die Preise für transnationale Telefonate und SMS innerhalb der EU begrenzen, dann werden wir die internationalen Roaminggebühren in Angriff nehmen, und schließlich können wir die Fragmentierung des Telekommarktes beenden." Dann soll es laut Reding auch europaweite Mobilfunker geben. (Fabian Schmid, 26.6.2017)