Ein schwules Ampelpärchen im Hamburger Stadtteil St. Georg. Für Homosexuelle dürfte es bald grünes Licht in Sachen Ehe geben.

Foto: APA/dpa/Daniel Bockwoldt

Es fing mit einem Kompliment an. Er sei ein großer Fan von ihr, sagte am Montagabend ein junger Mann aus dem Publikum zur deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Diese saß bei einer Veranstaltung der Frauenzeitschrift Brigitte auf dem Podium des Berliner Gorki-Theaters und stellte sich Fragen. Aber, wollte der junge Mann dann wissen: "Wann darf ich meinen Freund Ehemann nennen?"

Wann also werde es die Ehe für alle geben? In der man – im Gegensatz zur eingetragenen Partnerschaft zwischen Homosexuellen – also auch das Recht hat, ein Kind zu adoptieren. Eine ähnliche Frage hatte Merkel im Jahr 2013 noch so beantwortet: "Ich bin unsicher, was das Kindeswohl anbelangt."

Argument Kindeswohl

Vier Jahre später, im Gorki-Theater, holt Merkel weit aus. Sie erzählt von einem lesbischen Paar in ihrem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern, das acht Pflegekinder habe. Das sei für sie ein "einschneidendes Erlebnis" gewesen. Denn wenn der Staat dem Paar Kinder anvertraue, könne man wohl kaum mit dem Kindeswohl argumentieren.

Sie erklärt auch: "Ich möchte die Diskussion mehr in die Situation führen, dass es eher in Richtung einer Gewissensentscheidung geht, als dass ich jetzt per Mehrheitsbeschluss irgendwas durchpauke." Will heißen: Merkel gibt ihren Widerstand auf. Für sie selbst ist die völlige rechtliche Gleichstellung von Ehe und eingetragener Partnerschaft zwar keine Herzensangelegenheit. Aber sie lässt in der Bundestagsfraktion frei abstimmen.

Martin Schulz macht Druck

Noch war diese Kehrtwende der Kanzlerin in Berlin gar nicht verdaut, da kam schon der nächste Paukenschlag. Am Dienstagvormittag trat SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz, umgeben von sozialdemokratischen Ministern, vor die Presse und erklärte: "Wir werden noch diese Woche abstimmen." Und zwar am Freitag, dem allerletzten Sitzungstag des Bundestags vor der Sommerpause und auch der Bundestagswahl am 24. September. Schließlich habe Merkel jetzt ja endlich nachgegeben.

Eine mühevolle Antragsformulierung ist nicht nötig. Es gibt bereits ein entsprechendes Papier, das bloß nie in den vergangenen vier Jahren zur Abstimmung kam, weil die Union sich geziert hatte.

Union sauer über Zeitdruck

Doch dass es auch in der Union immer mehr Befürworter der Ehe für alle gibt, ist kein Geheimnis. So hat der designierte schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) angekündigt, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, "dass die zivile Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wird".

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) ist ziemlich sauer über die SPD und deren Eile. "Ein solches Thema, das hochsensibel ist, einfach Knall auf Fall in den Deutschen Bundestag zu bringen, zeigt, dass diese Partei ihrer Verantwortung in schwerer Zeit nicht gerecht werden kann. Das ist ein Vertrauensbruch, und wir werden der Aufsetzung auch nicht zustimmen", sagt er.

Am Freitag könnte die SPD ihre Mehrheit also nur mit den Stimmen der Linken und Grünen bekommen. Ob das dann der Koalitionsbruch wäre, wurde Schulz gefragt. Seine Antwort: "Nö, wir lassen die Koalition nicht platzen." (Birgit Baumann aus Berlin, 27.6.2017)