Bild nicht mehr verfügbar.

Fast täglich werden in der Kasai-Region Massengräber gefunden.

Foto: Reuters

Kinshasa/Johannesburg – Als Chef der UN-Menschenrechtskommission ist Zeid Ra’ad al-Hussein einiges gewohnt. Doch als der Jordanier jüngst in Genf die in den kongolesischen Kasai-Provinzen begangenen Grausamkeiten vortragen musste, verschlug es auch ihm fast die Sprache. In dem Bericht ist von hunderten verstümmelten Körpern, von niedergebrannten Dörfern und Massengräbern die Rede. "Selbst Babys wiesen Brandwunden und Verletzungen durch Macheten auf", sagte al-Hussein mit stockender Stimme. Auch schwangere Frauen würden immer wieder zum Ziel von Morden.

Allein in einem Dorf hätten Kämpfer der mit der Regierung verbündeten Bana-Mura-Miliz in einer Gesundheitsstation 90 Patienten und das Pflegepersonal ermordet. Mindestens 20 Dörfer in den drei Kasai-Provinzen wurden nach Angaben der katholischen Kirche in der Demokratischen Republik Kongo dem Erdboden gleichgemacht: die Hälfte von ihnen von Regierungstruppen und der mit ihnen verbündeten Bana-Mura-Miliz, die andere Hälfte von Kämpfern der aufständischen Kamuina-Nsapu-Miliz. Die Kirche, die als einzige verlässliche große Organisation in dem Land von der Größe Westeuropas gilt, teilte mit, dass in den vergangenen Monaten nicht wie von der UN behauptet rund 400, sondern mindestens 3.383 Menschen getötet wurden.

Widerstand gegen den Staat

Fast täglich wird auch die Existenz weiterer Massengräber bekannt. Hussein sprach Ende vergangener Woche noch von 42 solcher Gräber, inzwischen haben Soldaten zehn weitere gefunden.

Die beiden Seiten im Konflikt werfen einander vor, verantwortlich zu sein. Die Kämpfe in der Region begannen im August 2016, als ein traditionelles Oberhaupt, der Kamuina Nsapu, von Soldaten umgebracht wurde, nachdem er zum Aufstand gegen die Regierung aufgerufen hatte.

Daraufhin organisierten sich Anhänger des Kamuina Nsapu in einer Miliz desselben Namens und erklärten dem Staat den Krieg. Die Kasai-Region galt bereits seit Jahrzehnten als Hochburg des im Jänner verstorbenen Oppositionsführers Étienne Tshisekedi. Dieser war kurz vor seinem Tod ins Rampenlicht gerückt, weil er den Widerstand gegen die Weigerung des Präsidenten Joseph Kabila angeführt hatte, zum von der Verfassung vorgeschriebenen Zeitpunkt im Dezember zurückzutreten. Kabila ist noch immer im Amt: Wann Wahlen stattfinden werden, ist völlig unklar.

Der UN-Menschenrechtsrat beschloss am Freitag, ein Expertenteam in den Kongo zu senden, um den Hintergrund der Grausamkeiten aufzuklären. Die Forderung nach einer Untersuchung scheiterte bisher am Widerstand der kongolesischen und anderer afrikanischer Regierungen: Sie sahen dadurch die Souveränität des zen tralafrikanischen Staates gefährdet. Nun soll UN-Menschenrechtschef Hussein ein Expertenteam in den Kongo schicken. (Johannes Dieterich, 28.6.2017)