Zerstörung in der Altstadt von Mossul am Donnerstag.

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Ein Bild der zerstörten Al-Nuri-Moschee in Mossul.

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Bagdad/Rom – Nicht vor dem Ramadan und auch nicht vor dessen Ende, wie noch vor wenigen Wochen angekündigt: Aber am Donnerstag erklärte die irakische Armee ihren Sieg über den "Islamischen Staat" (IS) in Mossul, nachdem sie das Gelände der zerstörten Al-Nuri-Moschee in der Altstadt eingenommen hatte. Dort hatte der Chef der Terrororganisation, Abu Bakr al-Baghdadi, Anfang Juli 2014 sein "Kalifat" verkündet, vor fast genau drei Jahren.

Auch wenn der IS noch immer einige Häuserblöcke hält, in denen sich auch noch Zivilisten befinden, hielt Premier Haidar al-Abadi noch am Donnerstag in Westmossul seine Siegesrede. Für die irakische Regierung ist dies ein großer Moment. Abadis politischer Aufstieg war eine Folge des Siegeszugs des IS. Nuri al-Maliki, Premier seit 2006, hatte zwar 2014 die Wahlen gewonnen, wurde aber wegen seiner antisunnitischen Politik dafür verantwortlich gemacht, dass der IS Unterstützung bei Teilen der sunnitischen Bevölkerung, unter anderem in Mossul, gefunden hatte. Maliki musste zugunsten Abadis auf das Amt verzichten. Der Sieg über den IS wird den immer schwach gebliebenen Abadi politisch stärken.

Schlacht seit Oktober

Aber auch Donald Trump dürfte es freuen, dass die mit laufend aufgestockter US-Hilfe geführte Militärkampagne unter seiner Präsidentschaft zum Erfolg geführt hat, nicht unter jener Barack Obamas. Die Iraker hatten, als sie Mitte Oktober 2016 den Sturm auf Mossul begannen, damit gerechnet, den IS noch vor Jahresende 2016 schlagen zu können. Aber sogar Ostmossul, das aus militärischem Standpunkt ein einfacheres Gelände ist und in dem der IS nur wenig Unterstützung hatte, wurde erst Ende Jänner befreit. Ende Februar wurde die Offensive am Westufer der durch den Tigris geteilten Stadt begonnen.

Das heißt, die Schlacht um Mossul tobt bereits seit mehr als acht Monaten, mit großen Verlusten der irakischen Armee und schrecklichen Opfern der Zivilbevölkerung, die der Rache des IS ausgesetzt waren, auf die aber auch die Militärkampagne – mit massiven US-Luftschlägen – wenig Rücksicht nahm. Es wird auch von Übergriffen von Soldaten und Milizionären auf die Bevölkerung – die unter Generalverdacht steht, Sympathie für den IS zu hegen – berichtet.

Da stellt sich die Frage: Wer ist der irakische IS, auf Arabisch Daesh genannt, eigentlich – und vor allem, was wird aus ihm, wenn Mossul befreit ist? Im Irak ist Daesh auf alle Fälle irakisch dominiert, weniger international als in Syrien: Abu Bakr al-Baghdadi, eigentlich Ibrahim Awad al-Badri, ist ein Stammesiraker, dessen angesehene Familie aus der Gegend von Samarra stammt und der deshalb auf eine starke irakische Hausmacht zählen konnte. Al-Baghdadi ist verschwunden – russische und iranische Militärs vermuten, dass er bei einem russischen Luftangriff in der Gegend von Raqqa in Syrien getötet wurde, wohin er mit einem Teil seiner Gefolgschaft schon zu Jahresbeginn geflüchtet sein soll. "Der Terrorist Bagdadi ist definitiv tot", zitierte die amtliche iranische Nachrichtenagentur Irna am Donnerstag einen Vertreter des Geistlichen Oberhaupts Ali Khamenei.

Leichen in der Altstadt

Die irakische Armee ist sehr zurückhaltend mit Informationen über die verbliebene IS-Stärke oder darüber, wie viele IS-Gefangene in staatlicher Gewalt sind – und wer diese Leute sind. In der Altstadt von Mossul sollen noch höchstens 350 IS-Kämpfer sein, hieß es vor wenigen Tagen. In Mossul sind in den vergangenen Monaten tausende gefallen. Die letzten sprengen sich nach Angaben irakischer Militärs oft in die Luft, bevor sie gefangen genommen werden können. In der Altstadt liegen viele ungeborgene verwesende Leichen – im Irak hat es derzeit Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius. Die irakische Armee befreit mit Westmossul keine Stadt, sondern Ruinen.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass IS-Kämpfer in einer mit ihnen sympathisierenden Umgebung untertauchen können. Das ist auch vielen Anhängern Saddam Husseins nach dessen Sturz 2003 gelungen, die später mit dem IS kooperierten. Unter der dem IS entkommenen Bevölkerung Mossuls hat schon die große Abrechnung begonnen: Auf die irakische Justiz, die international immer wieder wegen ihrer "schnellen" Prozesse kritisiert wird, kommt eine schwierige Aufgabe zu.

Auch in Syrien nähert sich die Offensive immer mehr der IS-Hochburg Raqqa. Dort sind die politischen Herausforderungen für die Zeit nach dem Sieg fast noch größer als jene im Irak. Mehrere Nachfolgekonflikte – etwa zwischen der Türkei und den syrischen Kurden – sind möglich. Und in beiden Staaten geht es aus arabischer – und israelischer – Sicht auch darum, die iranische Präsenz wieder loszuwerden. (Gudrun Harrer, 29.6.2017)