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Der 20. Jahrestag der Rückgabe der britischen Exkronkolonie an China wurde nicht nur gefeiert.

Foto: Reuters / Damir Sagolj

20 Jahre nach der Rückführung der britischen Kronkolonie Hongkong am 1. Juli 1997 unter chinesische Souveränität nutzt Pekings Führung die Wiedervereinigungsfeiern am Wochenende und stellt ihre neue Stärke zur Schau. Sie hat es geschafft, Hongkong als Sonderverwaltungszone friedlich in ihr Staatsgebiet einzugliedern, indem sie den Hongkongern auf 50 Jahre hin ein befruchtendes Nebeneinander ihrer kapitalistischen Wirtschafts- und Lebensweise mit dem Sozialismus in der Volksrepublik versprach.

Es war diese geniale Politikformel – kurz "ein Land, zwei Systeme" genannt -, die die Wiedervereinigung möglich machte. Der Architekt der chinesischen Reformen, Deng Xiaoping, hatte sie sich ausgedacht. Sein damaliges Credo lautete: "Staatliche Einheit (mit Hongkong) ist der Wunsch unserer Nation. Wenn er sich in 100 Jahren nicht erfüllt, dann gelingt es uns eben in 1.000 Jahren. Wie lässt sich das Problem (schneller) lösen? Meiner Ansicht nach nur, wenn wir 'einen Staat mit zwei Systemen' schaffen."

Doch nach nur zwei Jahrzehnten melden sich in China Stimmen, für die Dengs pragmatische Formel ihren Zweck erfüllt hat. Hongkongs Grundgesetz und seine freiheitliche Lebensweise drohen der Bevormundung Pekings zum Opfer zu fallen. Hongkongs Öffentlichkeit ist gespalten, in eine Mehrheit der Bevölkerung, die sich der Realitäten ihrer Abhängigkeit von China bewusst ist, und eine weiter aufmüpfige, noch vor drei Jahren rebellische Jugend. Sie will ihr besonderes Hongkong nicht als weitere charakterlose chinesische Millionenmetropole enden sehen.

In diese Gemengelage kommt Chinas Staatschef Xi Jinping hinein, der zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt Hongkong besucht. Xi wird am Samstag die in Hongkong neugewählte Verwaltungschefin Carrie Lam vereidigen. Ebenso wichtig ist, dass er als militärischer Oberbefehlshaber die in Hongkong stationierten Truppen der Volksbefreiungsarmee inspiziert.

Vor seinem Besuch schrieb Kommandeur Yuan Yubai im Theoriemagazin Qiushi: Ihre seit 1997 stationierten Truppen seien keine "Image-Streitkräfte" mehr, die nur "symbolisch Präsenz" zeigten. Sie seien heute "kampfbereite Kräfte, die von sich aus aktiv werden können". Hongkong ist Teil Chinas und damit auch sein militärischer Vorposten. Im Rahmen der Rückkehrfeiern ist am 7. Juli auch der erste Hafenanlauf des chinesischen Flugzeugträgers Liaoning geplant. Das Datum steht für den 80. Jahrestag des japanischen Einfalls über die Marco-Polo-Brücke nach Peking am 7. Juli 1937.

Peking appelliert mit solchem militärischem Muskelspiel an den Patriotismus Hongkonger Bürger. Chinas Regierung setzt in ihrer Formel "ein Land, zwei Systeme" die Betonung auf "ein Land", statt neue Garantien für den Fortbestand der beiden Systeme bis 2047 zu geben. Fast unbemerkt von der Welt verneinte Volkskongress-Präsident Zhang Dejiang Ende Mai in einem Symposium des Parlaments zum ersten Mal, dass "Gewaltenteilung" eine Rolle in Hongkongs Politik spielt. Nur der Verwaltungschef habe zu entscheiden. Doch alle Macht, die er nach dem Hongkonger Grundgesetz ausüben dürfe, sei ihm von Peking delegiert. "Hongkong ist es unter keinen Umständen erlaubt, sich auf hochgradige Autonomie zu berufen, um die Entscheidungsmacht der Pekinger Zentralregierung herauszufordern."

Kein trojanisches Pferd

Jahrzehntelange Beobachter wie der deutsche Wirtschaftsberater Jürgen Kracht erinnern daran, wie viele westliche Beobachter sich 1997 irrten. Als Beispiel nennt er die damals weitverbreitete Theorie der "New York Times" vom "trojanischen Pferd", das sich Peking mit der Übernahme Hongkongs eingehandelt habe. Umgekehrt ist nun ein Schuh daraus geworden.

Die Gründe seien aber nicht nur politisch. Rücksichtnahme auf Hongkong habe Peking bald nicht mehr nötig gehabt. 1997 habe Hongkongs Anteil am Bruttoinlandsprodukt Chinas (BIP) noch 15 Prozent betragen, heute seien es rund drei Prozent. Von 1997 bis 2017 verzehnfachte sich Chinas Pro-Kopf-Einkommen von 780 auf heute 8.000 US-Dollar. Nach 20 Jahren sitzt Peking am längeren Hebel.

Keith Richburg war 1997 Korrespondent der Washington Post. Heute fragt er: "Alle nahmen damals an, dass Hongkong China liberalisieren würde. Wie konnte das Gegenteil passieren?" (Johnny Erling aus Peking, 29.6.2017)