Zweifel an der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat es seit Bekanntwerden des Richterspruchs gegeben. Mit der fundierten Argumentation des Verfassungsgerichtshofs wird nun klar: Die Kritik am Erstgericht war stark untertrieben. Es hat sich – etwas überspitzt formuliert – die Argumente aus einem Strauß an rechtlichen Materien herausgepickt und dabei auch noch haarsträubende technische Fehler begangen. Der Gesetzgeber sollte nun raschest Reparaturarbeiten vornehmen, denn eines wurde am Donnerstag auch klar: Die Gefahr des Richterstaats ist umso größer, je unpräziser Bestimmungen formuliert sind.

Dem Ausbau des Wiener Flughafens kann man durchaus mit guten Argumenten begegnen. Lärm- und Umweltbelastung gehören mit Sicherheit dazu. Allerdings: Im Luftfahrtgesetz, das für die Genehmigung von Flughäfen maßgeblich ist, fehlen exakte Bestimmungen, auf deren Grundlage eine Untersagung des Baus der dritten Piste geboten wäre. Man muss schon die vage Passage des öffentlichen Interesses ordentlich durchkneten, um Gründe gegen die Anlage zu finden.

Hier brachte das Verwaltungsgericht den Klimaschutz und den Bodenschutz ins Spiel. Sie seien höher zu gewichten als der wirtschaftlich unbestrittene Bedarf der Piste, mit deren Errichtung auch Aufträge und Jobs verbunden sind. Das war eine waghalsige Entscheidung. Sie kann zwar durchaus vertreten werden, doch bedarf es dafür guter Gründe. Genau hier beginnt die unsägliche Pannenserie des Erstgerichts. Es hat so ziemlich jede Fundstelle bemüht, die seinen Standpunkt rechtfertigen soll, und dabei ziemlich danebengegriffen.

Die niederösterreichische Landesverfassung, beispielsweise, die klarerweise bei der Anwendung eines Bundesgesetzes nichts verloren hat. Zudem das Kioto-Protokoll und das Klimaschutzgesetz, obwohl die internationale Luftfahrt von beiden Regelwerken ausgenommen ist. Der Gipfel eifrigen Ersinnens von Ablehnungsgründen aber ist die Anrechnung der gesamten CO2-Emissionen der Flugbewegungen, also nicht nur der Start- und Landevorgänge. Für die Schonung des Bodens vermisst das Höchstgericht überhaupt jegliche Rechtsgrundlage, die eine derartige Entscheidung plausibel machte.

Wer nun von einer mangelnden Würdigung des Klimaschutzes durch den Verfassungsgerichtshof spricht, der möge sich der Tragweite dieser Behauptung im Klaren sein. Sie kommt nämlich einer Einladung der Gerichte zur Willkür gleich. Wer einen Richterstaat im Unterschied zum Rechtsstaat befürwortet, möge das auch klar sagen und sich nicht hinter hehren Zielen wie dem Umweltschutz verstecken. Klimaaspekte können und sollen von den Gerichten gewürdigt werden, wenn es dafür eine rechtliche Verankerung gibt. Und noch ein Aspekt erscheint wesentlich: Gerade der Klimaschutz kann nur global funktionieren. Wenn sich ein Gericht schon in Politikersatz übt, dann bitte auch durchdacht: Es ist schwer vorstellbar, dass die Untersagung der dritten Piste ein Gramm CO2 einsparen würde. Vielmehr wären längere Warteschleifen in Wien und das Ausweichen auf benachbarte Flughäfen die Folge.

Aus all diesen Gründen ist jetzt die Politik gefragt. Nimmt sie Umweltschutz ernst, müssen die Gesetze entsprechend konkretisiert werden. Es sind die gewählten Volksvertreter und nicht die Gerichte, die Spielregeln machen und dafür Verantwortung tragen. (Andreas Schnauder, 29.6.2017)