Sebastian Ofners Vorhand holt auf. In Wimbledon hat sie den Steirer in den Hauptbewerb gebracht.

Foto: GEPA

London/Wien – Im Tennis geht es schon ein bisschen um die Größe. Unter den Top-40-Spielern der Welt messen gerade einmal vier unter 1,80 Meter. Sebastian Ofner ist jedenfalls Lackl genug. Der Steirer bringt stattliche 1,91 Meter unter die Messlatte. Tennis spielt er auch ganz gut. 2016 wurde er Staatsmeister, als 215. der Weltrangliste ist er derzeit die Nummer vier in Österreich. Als Sparringpartner durfte er schon zweimal Daviscup-Luft schnuppern. Wie quasi alle österreichischen Spieler fühlt er sich auf Sand am wohlsten: "Mein Lieblingsbelag."

Wahre spielerische Größe hat der 21-Jährige aber ausgerechnet beim Rasenturnier in Wimbledon bewiesen. Überraschend also. Ofner besiegte in der letzten Qualifikationsrunde den 18-jährigen Briten Jay Clarke und steht erstmals im Hauptbewerb eines Grand-Slam-Turniers. Und das mit einem Kraftakt: Gegen Clarke lag er bereits 0:2 Sätze zurück, kämpfte sich zurück und setzte sich mit 2:6, 6:7 (9), 6:4, 6:4, 6:1 durch. Es ist Ofners erstes Auftreten auf der ATP-Tour überhaupt.

Erstes Rasenturnier

"Der größte Erfolg meiner Karriere", sagt er nach dem Spiel. Die Partie: eine Achterbahn. "Die ersten beiden Sätze hat er wirklich gut gespielt, aber ich habe mein Spiel durchgezogen und wusste, dass er das Tempo nicht halten kann." Ofner spielt in Wimbledon erstmals in seiner Karriere auf Rasen: "Es macht Spaß." Und es bringt Geld: Für das Erreichen der ersten Runde kassiert er rund 40.000 Euro.

Ofner ist ein ruhiger Typ, Explosionen soll es nur auf dem Tennisplatz geben. Den steirischen Dialekt hört man nicht sofort. Er will sich auf der großen Tennisbühne etablieren: "Der Unterschied zwischen Future- und Challenger-Turnieren ist groß. Bei den Challengers trifft man immer wieder auf gestandende ATP-Spieler", sagt er. In Venedig schrammte Ofner knapp an seinem ersten Turniersieg vorbei, unterlag dem Portugiesen Joao Domingues im Finale in zwei Sätzen. Es fehle vor allem "noch an der Konstanz".

Der Fokus liegt bei dem jungen Mann voll auf Tennis. Plan B gibt es keinen. Bis zum Alter von 24 Jahren will er alles versuchen, dass es mit dem Profidasein klappt. Falls nicht, "wird dann einmal weitergeschaut".

Aus der Furche auf die Bühne

Ofner wuchs in der Nähe von Bruck an der Mur auf, familiären Tennisbackground gibt es keinen, der Bruder studiert, die Eltern versuchen zumindest bei den Turnieren in Österreich dabei zu sein. In der Mur-Mürz-Furche regnet es oft. Und Südstadt klingt auch besser. Dort hat Ofner seinen Lebensmittelpunkt. Wenn er nicht die Challenger-Turniere Europas bereist, wird im Leistungszentrum an den Schlägen und der Beinarbeit gefeilt.

In der Südstadt trainiert er unter der Leitung von Wolfgang Thiem, Vater des heimischen Aushängeschilds Dominic Thiem. In die Leistungsgruppe wechselte er erst vor kurzem.

Der Unterschied liegt vor allem in den Trainingspartnern: "Man trainiert dort mit Topspielern." Für das höchste Level im Tennis braucht man neben Körpergröße, Konstanz im Spiel auch Waffen. Also im spielerischen Sinn. Im Repertoire hat Ofner ein starkes Service und eine gute Rückhand. "Die Vorhand holt aber auf und ist mittlerweile auch ganz brauchbar", sagt er.

In Wimbledon geht es für Ofner im Hauptbewerb gegen Thomaz Bellucci, die Nummer 53 der Welt. Der Brasilianer gilt nicht als Rasenspezialist. Kein unmachbares Los also. (Andreas Hagenauer, 1.7.2017)