Händeschütteln zur Begrüßung ist für Rheumatologen bereits Teil der Diagnostik. Schmerzen oder Kraftlosigkeit sind Hinweise auf Entzündungen in den Gelenken.

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Die Gelenke schwellen an, tun weh, man wird schlapp und müde – das sind die typischen Symptome einer rheumatoiden Arthritis (RA). Durch ein fehlgesteuertes Abwehrsystem greifen Immunzellen Gelenkknorpel und Knochen an, die Gelenke werden zerstört, verformen sich und verursachen starke Schmerzen. Rheumatoide Arthritis kann auch innere Organe wie Lunge oder Herzbeutel schädigen. "Da gerade in den ersten zwei Jahren die größten Schäden entstehen, sollte man eine RA so früh wie möglich erkennen und therapieren", sagt der Wiener Rheumatologe Thomas Schwingenschlögl. "Fängt man bereits in den ersten drei Monaten nach Krankheitsbeginn an, normalisiert sich oft das durcheinandergeratene Immunsystem."

Grundlage der Behandlung sind Medikamente, die den Krankheitsverlauf verbessern. "Lange Zeit standen hierfür nur Goldsalze, D-Penicillamin und Sulfasalazin zur Verfügung", erzählt Gerd Burmester, Chef-Rheumatologe an der Uniklinik Charité in Berlin.

Das Problem: Die Nebenwirkungen von Goldsalzen und D-Penicillamin. "Aus Vorsicht und weil keine anderen wirksamen Medikamente zur Verfügung standen, wurden die Patienten zu spät oder nicht genügend behandelt, was zu dauerhaften Gelenkzerstörungen führte."

Wandel in der Therapie

1948 wurde der erste Patient erfolgreich mit Kortison behandelt. "Das war der erste Durchbruch in der Therapie", erklärt Burmester, "allerdings führten die dauerhafte Gabe und die hohe Dosis ebenfalls zu erheblichen Nebenwirkungen." Die zweite fundamentale Entwicklung war Methotrexat in den späten 1980er-Jahren. Heute gelten Methotrexat und Kortison – jetzt in niedriger Dosierung und über einen möglichst kurzen Zeitraum – als Grundpfeiler der Behandlung.

Sobald die Diagnose gestellt ist, bekommt der Patient Methotrexat in Kombination mit Kortison. "Lässt sich damit die rheumatoide Arthritis nicht innerhalb von drei bis sechs Monaten zurückdrängen, schauen wir, ob etwas für einen schweren Krankheitsverlauf spricht", sagt Josef Smolen, Chef-Rheumatologe am AKH in Wien, "etwa hohe Entzündungswerte oder viele geschwollene Gelenke." Ist das nicht der Fall, oder verträgt der Patient Methotrexat nicht, gibt man stattdessen Sulfasalazin oder Leflunomid zusammen mit Kortison. Hat der Patient Risikofaktoren, setzt Smolen Biologika ein. Diese Medikamente unterbrechen gezielt gestörte Immunsignale.

Als 1998 das erste Biologikum gegen RA auf den Markt kam, ein sogenannter TNF-Hemmer, habe das die Therapie erneut maßgeblich verändert, erinnert sich Oliver Distler, Chef-Rheumatologe am Unispital Zürich. "Biologika führen oft zu einem kompletten Stillstand der Gelenkzerstörung." Inzwischen gibt es weitere Biologika, die andere Entzündungssignalwege blockieren, und zwei Biosimilars von TNF-Blockern, die genauso wirksam, aber billiger sind. "Wir müssen auch den Preis der Medikamente berücksichtigen", sagt Smolen. "Mit den Biosimilars (Anm.: biotechnologisch erzeugte Nachahmerprodukte) haben wir jetzt wirksame und preiswertere Alternativen." Hilft ein erstes Biologikum nicht, gibt es die Option, nach einigen Monaten ein anderes auszuprobieren.

Biologika gegen Gelenkschäden

Die Biologika hätten aber noch einen anderen Nutzen, sagt Günter Germann, einer der führenden Handchirurgen in Deutschland: Die Patienten müssten im Vergleich viel seltener operiert werden. "Früher konnten wir die Gelenke weder erhalten noch mit einer Prothese ersetzen, weil sie so zerstört waren, die Versteifung war die einzige Möglichkeit", sagt er. Heute operieren die Handchirurgen Patienten, die nicht auf die Medikamente ansprechen.

Die Entzündung ist zwar zurückgedrängt, aber einzelne Gelenke oder Sehnen sind immer noch entzündet. "Hier ist das Operieren einfacher als früher, weil die Biologika Knochen und Gewebe stabiler machen", berichtete kürzlich der Zürcher Handchirurg Daniel Herren auf einem internationalen Rheumakongress in Florenz. Mit Kunstgelenken in den Fingern können die Patienten wieder besser greifen, und es lassen sich entstellende Deformationen korrigieren.

"Der schönste Moment für mich ist, wenn mir ein Patient sagt, er habe nach Jahren endlich wieder im Restaurant essen können, ohne sich für seine Hände zu schämen", sagt Herren. Wichtig sei, so Germann, dass Operateure früh Bescheid wissen. "So können wir rechtzeitig Sehnen, die abzugleiten drohen, in die richtige Position bringen, und der Patient bekommt nicht die typische abgeknickte Rheumahand." Bevor man sich operieren lasse, solle man aber alle medikamentösen Maßnahmen ausschöpfen", rät Distler. "Wir haben heute einige Möglichkeiten, man erreicht therapeutisch nicht so schnell das Ende der Fahnenstange." (Felicitas Witte, 4.7.2017)