Wien – Der österreichische Islam-Theologe Mouhanad Khorchide nimmt seinen Kollegen Ednan Aslan wegen der Kritik an der umstrittenen Kindergartenstudie in Schutz. Statt die Wissenschaftlichkeit der Studie infrage zu stellen, sollte man lieber über Verbesserungsbedarf in islamischen Kindergärten reden, erklärte Khorchide in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

"Seit Monaten wird über die Studie von Professor Ednan Aslan zu den islamischen Kindergärten debattiert. Die Studie weist zum Teil auf alarmierende Zustände in manchen Kindergärten hin. Statt sich mit den eigentlichen Fragen nach der Qualität dieser Kindergärten und deren Bildungsauftrag auseinanderzusetzen, wird die Debatte seitens derer, denen die Ergebnisse der Studie zu negativ erscheinen, personifiziert. Es geht vordergründig um die Person des Wissenschafters Professor Aslan. Dabei wird mit aller Wucht versucht, die Wissenschaftlichkeit der Studie und die Loyalität des Wissenschafters zu seiner Glaubensgemeinschaft infrage zu stellen", so Khorchide, der 1989 aus Palästina nach Österreich kam, hier studierte und inzwischen das Zentrum der Westfälischen Wilhelms-Universität im deutschen Münster leitet.

Khorchides Dissertation sorgte für Aufregung

Ähnliches sei ihm selbst vor acht Jahren widerfahren. Khorchides Dissertation "Der Islamische Religionsunterricht zwischen Integration und Parallelgesellschaft" am Islamischen Religionspädagogischen Institut der Uni Wien sorgte damals für großes mediales Aufsehen und zog viel Kritik auf sich. Für seine Studie befragte der Islam-Theologe muslimische Religionslehrer an österreichischen Schulen bezüglich ihrer Einstellungen. Eines der ernüchternden Ergebnisse: Jeder Fünfte lehnte in der Umfrage Demokratie als unvereinbar mit dem Islam ab. "Man diskutierte damals über alles, aber kaum über das Eigentliche, über die Qualität des islamischen Religionsunterrichts in Österreich", erinnert sich Khorchide.

"Gerade uns Muslimen und der Frage des konstruktiven Zusammenlebens in einer pluralen Gesellschaft ist keineswegs geholfen, wenn wir Probleme und Herausforderungen verdrängen." Das gelte auch für die aktuelle Debatte. "Dass es Mängel gibt und Verbesserungsbedarf an islamischen Kindergärten, das wissen auch die Verantwortlichen in der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich."

Darüber sollte laut Khorchide diskutiert werden und über die Frage: "Was muss sich in Zukunft verändern, um muslimischen Kindern einen Zugang zu hochqualifizierten Kindergärten zu ermöglichen? Davon hängt ja deren Zukunft ab." Dies müsse auch im Interesse der Eltern sein.

Verdrängungsmechanismus

"Zu versuchen, Probleme zu relativieren, indem man die Wissenschaftlichkeit der einen oder anderen Studie angreift, ist nur ein Verdrängungsmechanismus und Ausdruck einer ablehnenden Haltung, sich offen und mutig den Problemen zu stellen", so der Islam-Theologe.

Die Kritik an der Kindergartenstudie kann Khorchide deshalb nicht nachvollziehen. Auch wenn es sich um eine Auftragsstudie handelt, sei es üblich und legitim, die Ergebnisse mit dem Auftraggeber vor Veröffentlichung zu besprechen. "Letztendlich verantwortet der jeweilige Wissenschafter die Inhalte seiner Studie. Daher sollten wir über diese Inhalte reden, denn das ist das Eigentliche, worum es gehen soll." (APA, 5.7.2017)