Wien – Der Hauptraum der Secession ist nicht wiederzuerkennen. Der Künstler Alex da Corte hat ihm die neutrale White-Cube-Anmutung gründlich ausgetrieben. Die Wände sind großflächig, quasi bis ins letzte Winkerl mit grauem Samt verkleidet. Vom Boden her breitet sich eine gedämpfte Buntheit aus, er ist ganz mit bläulichen, rötlichen, grünlichen Teppichen ausgelegt.

Schreiend, aber gebremst: Die Rauminstallation "Slow Graffiti" des Künstlers Alex da Corte in der Secession, eine Arbeit über das Vergehen der Zeit.
Foto: Sophie Thun

Darauf umherwandelnd bestaunt man gar kuriose Objekte. Eine riesige Zitrone auf einem Stuhl oder eine Sitzbank, die kaum mehr als ein Skelett ist: Ihre Sitzfläche ist bloß von einer Neonröhre markiert, die Lehne ein Plastikbesen. Ein halber Hügel aus rosa Plüsch steht da; riesige Lettern, die das Wort "HAPPY" bilden könnten, liegen verstreut herum.

Was hier geschehen ist? Nun, angefangen hat alles damit, dass da Corte eine "weiße" Installation für die Secession machen wollte, wie er sagt. Das wäre recht ungewöhnlich gewesen, denn der 1980 geborene US-Amerikaner mit venezolanischen Wurzeln greift bei seinen Environments, seinen raumnehmenden Installationen gerne zu ziemlich kräftigen Farben. Ganz nichtfärbig wurde es nun zwar nicht, aber eben gedämpfter, denn er fühle sich "weich", so der Künstler.

Treu geblieben ist er bei seiner Personale mit dem Titel "Slow Graffiti" der Methode, Alltagsgegenstände oder Fundstücke aus der Kitschkultur für seine Objekte zu nutzen, um sie der Umdeutung zu unterziehen. Sei es ein Regenschirm, auf dem ein silberfärbiger Stiefel steht, in dem eine halbierte Melone steckt (sic!), oder sei es ein Hahn aus Pappmaché, der hier von der Osterdekoration zum Götzenbild mutiert.

Laut-, aber nicht spurlos

Nun wäre dies allein schon gar nicht schlecht, denn man erahnt die Doppelbödigkeit dieser Atmosphäre, die souverän zwischen Kitsch und Kunst, zwischen Glam und Funhouse vermittelt. Man fühlt angesichts dieser Säulenarchitekturen aus Karton, dass es hier um das Verhältnis von Schein und Sein gehen könnte. Man ahnt, es könnte nicht ganz unbedeutend sein, dass man sich hier (aufgrund der Teppiche) zwar laut-, aber nicht gänzlich spurlos bewegt.

Mit Nachdruck tut sich der doppelte Boden auf, wenn sich alle zwanzig Minuten ein mächtiger Bühnenvorhang öffnet, um den Blick auf jenes Video freizugeben, das die Schau noch einmal in ein neues Licht taucht. Zu sehen ist Frankensteins Monster, wie es mit Spraydosen in der Hand tanzt, sich ein Mahl zubereitet – oder beim Maskenbildner sitzt.

Tatsächlich thematisiert da Corte im Video "Slow Graffiti" nämlich das Verhältnis eines Schauspielers zur Rolle des Monsters. Den Hintergrund bildet dabei die Geschichte des Mimen Boris Karloff, für den ab 1931 das Monster zur Lebensrolle respektive zur das Leben bestimmenden Rolle wurde. "Frankensteins Monster war mein bester Freund", sagte Karloff später. Ein Satz, der in seiner Ambivalenz da Corte inspirierte.

Das Video "Slow Graffiti" spinnt aber noch weitere Fäden in die Sphäre des Films. Die Struktur ist übernommen vom Kurzfilm "The Perfect Human", den Regisseur Jørge Leth 1967 drehte. Mit melancholischem Unterton präsentiert der Däne darin einen Mann und eine Frau wie Exemplare einer fremden Spezies. In da Cortes Remake ist dieses Paar in das "Gespann" Schauspieler/Rolle übersetzt, um die Melancholie eines Schauspielers beim Räsonieren über sein Dasein zu zeigen.

Tatsächlich sei "Slow Graffiti" eine Schau über das Vergehen der Zeit und die Einsamkeit, so da Corte. Und (à la Frankensteins Monster zusammengefügte) Objekte wie jene Bank, die nur eine Neonröhre als Sitzfläche hat, sieht der Künstler dann etwa als Bild für ein enttäuschtes Begehren: für ein Versprechen, das nicht eingehalten wird. (Roman Gerold, 6.7.2017)