Leitbauten der Zweiten Republik wie der Ringturm erreichten nie die symbolische Bedeutung, die eine überschießende Propaganda ihnen geben wollte.

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Die Erinnerung an vergangene Epochen ist geprägt durch das Erbe an neu errichteten oder getreulich übernommenen und bewahrten Bauten, Gärten und Infrastrukturen, die sie uns hinterlassen haben. Die kurze, aber glorreiche Epoche des "Roten Wien" der Zwischenkriegszeit hat der Nachwelt hier beispielsweise Bedeutendes übermittelt. Es gibt mögliche Einwände – so suggeriert das Pathos des Karl-Marx-Hofs eine Kampfbereitschaft, die auf breiter Basis wohl niemals bestanden hat. Aber im Vergleich zu den kommunalen Wohnbauten der Zweiten Republik haben jene der Periode vor 1934 doch eine eindrucksvollere Botschaft.

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ist durch massenhafte, aber nicht immer überzeugende Bautätigkeit gekennzeichnet. Man baute schnell, viel und schmucklos und war noch stolz darauf – etwa auf die Fassadenglättung reich "geschmückter" Gründerzeitfassaden. Leitbauten der Zweiten Republik wie Ringturm und Stadthalle erreichten nie die symbolische Bedeutung, die eine überschießende Propaganda ihnen geben wollte.

Einfluss mächtiger Investoren

Immer deutlicher wurde der Einfluss mächtiger Investoren und die zurückweichende Rücksichtnahme auf diese – sowohl auf Bundesebene (Denkmalschutzgesetz) als auch im kommunalen Bereich (Schutzzonen). Die Errungenschaften der "postmaterialistisch" geprägten Ausnahmeperiode der 1970er-Jahre wurden langsam, aber beharrlich wieder abgebaut und ausgehöhlt.

In Wien hieß das unter anderem: Zerschlagung der allzu querköpfigen Planungsabteilung MA 18, Abbau der Schutzzonen, wohlwollende Beziehungen zu Architekten, die eine brachiale Modernisierung der Altstadt gutzuheißen bereit waren, und zu Ideologen des "Draufsetzens", sprich: der vertikalen Stadterweiterung. Den Bock zum Gärtner machen nannte das Andreas Lehne am Beispiel Hollein.

Quertreiberei und Schlechtmacherei

In diesem Ambiente konnte eine denkmal- und altbestandsfreundliche internationale Konvention wie jene über das Welterbe nicht wirklich gedeihen. Es setzte denn auch bald die übliche Quertreiberei und Schlechtmacherei ein. Unvergesslich wird mir eine Diskussion in Salzburg sein, bei der der Vorsitzende (Dieter Bogner) die Podiumsteilnehmer schon im Vorfeld auf die Formel "Salzburg braucht keine Deklaration als Welterbe" einschwören wollte.

Nun haben sie es also geschafft, die Nörgler und Schlechtredner, die Vertreter des patzigen "Mir san mir"-Standpunkts und die Schmähtandler. Die Unesco hat sich gottlob nicht mit dem Schmäh packen lassen und einen deutlichen Warnschuss gesetzt: Die Wiener Innenstadt steht auf der Roten Liste gefährdeten Welterbes.

Immerhin ist noch eine Frist gesetzt, und sie sollte genutzt werden. Auch ein Bürgermeister, dem die ästhetische Qualität seiner Stadt sichtlich weniger bedeutet als seinem Vorgänger, sollte diese Warnung beherzigen. Schon um historisch eine "gute Nachrede" zu erhalten. (Robert Schediwy, 7.7.2017)