Über Jahrzehnte war eine Magenspiegelung bei Kindern und Jugendlichen unumgänglich, um die Diagnose einer Gluten-Unverträglichkeit zu bestätigen. Das könnte sich in Zukunft ändern.

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München – Das Klebereiweiß Gluten aus Weizen, Roggen oder Gerste löst bei einer Zöliakie eine abnorme Reaktion des Immunsystems aus. Die Folge ist eine Schädigung der Dünndarmschleimhaut. Etwa ein Prozent der Kinder und Jugendlichen in Europa sind von dieser Autoimmunkrankheit betroffen. Die einzig mögliche Therapie ist der lebenslange Verzicht auf alle glutenhaltigen Speisen.

Um eine Diagnose stellen zu können, braucht es eine Blutuntersuchung auf Auto-Antikörper gegen Gewebs-Transglutaminase (tTGA-IgA). Das sind Eiweißstoffe, die Immunzellen gegen körpereigenes Gewebe im Darm bilden. Sind sie erhöht, ist eine Zöliakie sehr wahrscheinlich. Um den Verdacht zu bestätigen, wird eine Magenspiegelung mit Entnahme kleiner Gewebeproben (Biopsien) aus dem oberen Dünndarm zum Nachweis der Darmschädigung vorgenommen.

In den vergangenen Jahren gab es bereits Hinweise, dass bei Kindern mit sehr hohen tTGA-IgA-Werten im Blut (über dem Zehnfachen des Normwertes) Darmbiopsien verzichtbar sind, wenn bestimmte zusätzliche Kriterien erfüllt waren. Dazu gehörten das Vorliegen von für Zöliakie verdächtigen Beschwerden, der Nachweis weiterer Auto-Antikörper (EMA-IgA) sowie genetischer Risikomarker (HLA-DQ2/DQ8).

Neue Kriterien überprüfen

Die Europäische Gesellschaft für Kindergastroenterologie (ESPGHAN) schlug 2012 diese Kriterien für eine Zöliakie-Diagnose ohne Biopsien vor. Um die neuen Kriterien auch in der klinischen Praxis auf den Prüfstand zu stellen, initiierten Kindergastroenterologen aus Deutschland eine multizentrische Studie. Dazu sammelten 33 Kliniken aus 21 Ländern prospektiv Daten, Labor- und Gewebeproben von mehr als 700 Kindern und Jugendlichen mit positiven Zöliakie-Autoantikörpern.

Das Ergebnis: Die Kombination aus sehr hohen tTGA-IgA und positiven EMA-IgA in einer zweiten Blutprobe ermöglicht bei Kindern eine sichere Zöliakie-Diagnose. Es zeigte sich, dass die Zuverlässigkeit unabhängig vom Land und dem verwendeten serologischen tTGA-IgA Test war.

Diagnose vereinfachen

Dabei kamen in den Kliniken zehn und bei Überprüfung im Zentrallabor acht verschiedene Tests zum Einsatz. Alle Patienten, die die Kriterien für eine Diagnose ohne Biopsien erfüllten (399/707), wiesen die genetischen Risikomarker auf. Die Bestätigung der Auto-Antikörper in einer zweiten Blutprobe ist dagegen immer notwendig, um seltene aber mögliche Verwechslungen auszuschließen. Ist der tTGA-IgA-Wert über die Norm erhöht, liegt aber unterhalb des Zehnfachen des Grenzwertes, wird nach wie vor die Durchführung der Magenspiegelung empfohlen.

"Die Ergebnisse schaffen endlich Klarheit und bestätigen das von der europäischen Fachgesellschaft vorgeschlagene Vorgehen", sagt Studienleiterin Koletzko von der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Das erspart vielen Kindern die belastende Magenspiegelung mit Narkose." (red, 11.7.2017)