Bild nicht mehr verfügbar.

Tayyip Erdoğan grüßt seine Anhänger

Foto: Foto: Reuters/Kayhan Ozer/Presidential Palace

Istanbul/Ankara – Ein Jahr nach dem gescheiterten Militärputsch hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ein erbarmungsloses Vorgehen gegen die Verantwortlichen angekündigt: "Wir werden diesen Verrätern den Kopf abreißen", sagte Erdogan am Samstagabend auf einer Kundgebung vor zehntausenden Anhängern in Istanbul.

Der Präsident erneuerte sein Plädoyer für eine Wiedereinführung der Todesstrafe. Sollte das Parlament eine derartige Vorlage verabschieden, werde er sie unterzeichnen, sagte er unter dem Jubel seiner Anhänger.

Erdogan äußerte sich in seiner Rede voller Abscheu über die Putschisten. Die inhaftierten Drahtzieher sollten "Uniformen wie in Guantanamo" tragen, schlug er vor. Damit spielte er auf das umstrittene US-Gefangenenlager an, in dem Terrorverdächtige festgehalten wurden und werden.

Assistenzprofessor

Sicherheitskameras in der Akinci-Airbase bei Ankara liefern Hinweise auf einen möglichen Organisator des Putsches: Sie hielten Bilder eines grauhaarigen, hektisch herumlaufenden Mannes fest, der dort – wie alle anderen Zivilisten – nichts zu suchen hatte: Adil Öksüz, ein Assistenzprofessor der Theologie.

Der 50-Jährige war zuvor, trotz bescheidenen Uni-Gehalts, mehrmals in New York, von dort ist es nicht weit nach Saylorsburg, wo Gülen lebt. "Was macht ein Theologe ohne akademischen Output so oft in den USA?", fragt eine Dokumentation türkischer Journalisten, die Gülen-Leute klar belastet. Öksüz soll eine Art Imam der Armee gewesen sein.

Öksüz, ein gedrungener Mann mit Schnauzer und Halbglatze, hat in seiner Laufbahn als Akademiker an einer Provinzuniversität in Westanatolien außer seiner Doktorarbeit nichts publiziert. Sein Einfluss ist trotzdem groß. Öksüz gilt als Vertrauter Gülens. Videos zeigen die beiden beim gemeinsamen Gebet und auf Gülens Anwesen in Pennsylvania, USA.

Putsch-Beratungen in Villa

Am 9. Juli 2016, sechs Tage vor dem Putsch, versammelte Öksüz in einer Villa im Nordwesten Ankaras eine Gruppe Männer: Zwei Generäle der türkischen Armee, einen Admiral und Zivilisten, berichtet "Spiegel Online".

Die Gruppe ging, so sagten Zeugen später gegenüber der türkischen Staatsanwaltschaft aus, die letzten Details eines Plans durch, den Öksüz ausgearbeitet hatte: Ein Team aus Elitesoldaten sollte den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan festnehmen und auf ein Schiff im Mittelmeer bringen. Armeechef Hulusi Akar sollte überredet werden, den Aufstand anzuführen.

Der Putschversuch scheiterte unter anderem am fehlenden Rückhalt im Volk. Auch die Militärführung beteiligte sich nicht an der Revolte. Öksüz wurde nach seiner Festnahme von einem Untersuchungsrichter freigelassen – aus Gründen, die nach wie vor rätselhaft sind. Er befindet sich seither auf der Flucht.

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim betonte in einer am Freitag über die türkische Botschaft in Wien verbreiteten Erklärung: In der Nacht des Putschversuchs sei die Türkei mit einem "kriminellen Netzwerk" konfrontiert gewesen, das die Anweisungen seines Anführers Gülen, die durch einen Theologieprofessor übermittelt worden seien, blind befolgt habe.

Gülen hingegen bestreitet vehement, hinter dem Putschversuch zu stehen und hat diesen auch wiederholt verurteilt. Allerdings ist der einstige enge Verbündete Erdogans mit dem heutigen türkischen Präsidenten seit 2013 zutiefst verfeindet. (red, APA, AFP, 15.7.2017)