Bild nicht mehr verfügbar.

Winke, winke nach der Show: Stella McCartney ist Vollprofi, sie macht seit über 15 Jahren unter eigenem Namen Mode.

Foto: Reuters/ Benoit Tessier

Bild nicht mehr verfügbar.

Stella McCartney mit Naomi Watts und Kate Hudson (oben). Auch Papa Paul McCartney (Mitte links) kann mittlerweile die Mode seiner Tochter tragen. Die Designerin mit Lara Krude, der Gewinnerin des DfT-Wettbewerbs von Peek & Cloppenburg (Mitte rechts) und mit Ehemann Alasdhair Willis.

Fotos: APA / AFP/ Getty Images / Dimitrios K, Pierre Suu / Getty Images, Peek & Cloppenburg, Getty / Dave Benett / WireImage, Peek & Cloppenburg

Hotel Soho House Berlin, sechster Stock, Zimmer 82. Während im Erdgeschoß die Gäste durch eine imposante Glastür gleiten, legt sie hier oben auf cremefarbenem Teppichboden einen Interviewmarathon hin. Stella McCartney nimmt's gelassen, wie das Profis tun – und sieht dabei ziemlich perfekt aus. Sie trägt eine rostrote Kombination aus gerafftem Blazer und lässiger Hose, schwarze High Heels mit schmalen, hohen Absätzen, das rotbraune Haar fällt ihr mittig gescheitelt über die Schultern. Kerzengerade sitzt die 45-Jährige auf einem geblümten Sofa. Bevor es losgehen kann, tippt sie hastig auf ihr Smartphone ein, entschuldigt sich höflich ("meine Kinder, Sie verstehen").

STANDARD: Sie sind das prominente Aushängeschild Ihres eigenen Unternehmens. Hatten Sie je ein Problem damit?

Stella McCartney: Ich wollte nie das Gesicht eines Modehauses sein, ich wollte auch nicht in der ersten Reihe stehen. Aber als eine Designerin, die Mode für Frauen macht und ihre eigenen Sachen trägt, funktioniere ich als Role Model. Um die Person Stella McCartney geht's da weniger.

STANDARD: Wie hat Sie Ihre Kindheit als Tochter von Paul McCartney auf das Leben in der Öffentlichkeit vorbereitet?

McCartney: Insofern, als dass ich nie dahin wollte: Ich wollte nie berühmt sein. Ich mache einige Fernsehauftritte, lehne aber auch viel ab und tauche nicht ständig auf Magazintiteln auf. Wenn man an Mode interessiert ist, kennt man mich. Wenn nicht, dann nicht. Mit dieser Art von Bekanntheit kann ich leben.

STANDARD: Und wenn Sie in London auf der Straße unterwegs sind?

McCartney: ... dann werde ich von manchen erkannt, von vielen aber auch nicht. Ich war letztens in London auf einem Boot unterwegs, von den Männern um mich herum hat mich keiner erkannt.

STANDARD: Viele Frauen fühlen sich von der Luxusindustrie unter Druck gesetzt. Ist dieses Konzept von Luxus noch zeitgemäß?

McCartney: Das Gefühl der Unerreichbarkeit dieser Hochglanzwelt kenne ich. Als ich jung war, hatte ich oft das Gefühl, dieser Welt nicht zu genügen, nicht schön genug zu sein. Deshalb verstehe ich es als meinen Job, Frauen jeden Alters und jeder Größe anzusprechen. Wir leben heute in einer Welt, in der einem überall ein schlechtes Gefühl vermittelt wird, alles wird ins Übermenschliche erhöht. Das ist nicht nur in der Modeindustrie so. Schauspieler erscheinen nicht echt, Filme erst recht nicht, selbst das Essen ist durchdesignt – und es wird einem vermittelt, es müsse alles immer noch besser sein. Warum sonst haben Therapeuten so viel zu tun?

STANDARD: Was sollte man tragen, wenn man sich schlecht fühlt?

McCartney: "Sollte" klingt schon einmal nicht gut. Ich würde sagen: könnte. Normalerweise tendieren Menschen dazu, zu Dingen zu greifen, die sie kennen, in denen sie sich wohlfühlen. Schwarze Sachen oder Basic-Klamotten zum Beispiel. So etwas liefere ich als Designerin auch. Und solche Stücke haben alle ja auch schon in ihrem Kasten liegen. Vielleicht sollte man das Gegenteil dessen anziehen, etwas, das Selbstbewusstsein verleiht.

STANDARD: Sie entwerfen neben Ihren Damenkollektionen neuerdings auch Mode für Männer. Funktioniert Männermode anders?

McCartney: Erst einmal sind Männer völlig anders als Frauen. Ich bewege mich also auf völlig neuem Terrain. Mich interessiert zum Beispiel, ob und inwieweit Männer anders einkaufen. Bei meinen Frauenkollektionen ist die Grundgarderobe eher unangestrengt und bequem angelegt, ich versehe sie dann mit auffälligeren Elementen. Diesen Twist finde ich auch bei den Männern wichtig. Ich mache Mode weder für den extrem modebewussten noch für den konservativen Mann, eher irgendwas dazwischen. Trotzdem könnten Männer ruhig mutiger sein, im Moment kaufen sie eher auf Nummer sicher ein.

STANDARD: Angst vor Männern in Shorts, Sandalen und Socken haben Sie offensichtlich nicht!

McCartney: Stimmt, die gibt's in meiner Kollektion. Wenn man zum ersten Mal Männermode vorstellt, muss man Diskussionen anstoßen. Zum Beispiel darüber, ob das jetzt guter oder schlechter Geschmack ist. Man sollte beim Entwerfen keine Angst haben. Ich mache zwar tragbare Kleidung, aber im Luxussegment ist es wichtig, auf dem Laufsteg einen modischen Standpunkt zu vertreten.

STANDARD: Sie haben in der Vergangenheit schon David Bowie, Ihren Vater und Ihren Mann zu besonderen Anlässen angezogen. Beeinflussen diese Männer Ihre Mode?

McCartney: Es ist super, diese ganzen Leute zu kennen und gekannt zu haben. Bowie war und ist die größte Inspiration überhaupt – und mein Mann ist sowieso unglaublich stylish (Ehemann Alasdhair Willis trägt tatsächlich einen Man-Bun, Anm. d. Redaktion). Mir geht's aber nicht nur darum, wie Menschen aussehen. Mir geht's darum, wofür diese Männer stehen. Und dann frage ich mich: Wie kann ich einen Bowie in die Männermode übersetzen? Und wie übertrage ich bitte schön meinen Vater in die Mode?

STANDARD: Er hat den Soundtrack für eines Ihrer aktuellen Modevideos komponiert. Zieht Ihr Vater jetzt auch Sachen von Ihnen an?

McCartney: ... ein Shirt mit zwei applizierten Schwalben zum Beispiel!

STANDARD: Das gab es schon in Ihrer Frauenkollektion ...

McCartney: Ich habe das Motiv im Kleiderschrank meiner Mutter gefunden und fand es so schön, dass ich es gleich übernehmen musste. Später habe ich dann festgestellt, dass das Schwalben-Shirt meinem Vater gehört hat. Das hätte ich nie gedacht – für einen Mann ist das schon ziemlich extravagant. Aber wenn Männer in den Siebzigern so etwas tragen konnten, warum kann ich mit so was nicht auch heute Männer aus ihrer Komfortzone holen? Mein Mann hat die Schwalben dann auch getragen, für jemanden wie ihn ein echtes Statement.

STANDARD: Das Tempo hat angezogen in der Mode, immer mehr Designer verkaufen ihre Kollektionen jetzt direkt nach der Show. Was halten Sie davon?

McCartney: Ich bin dafür, Dinge auszuprobieren. Solange keine Tiere getötet werden, ist mir egal ob "See now, buy later" oder was auch immer. In Zeiten des Umbruchs werden viele Ideen in den Raum gestellt. Manches davon wird funktionieren, anderes nicht.

STANDARD: Ihre Mode gibt es aber nach wie vor erst ein halbes Jahr nach den Shows zu kaufen ...

McCartney: In etwa, ein bisschen früher vielleicht. Und die Abstände zwischen den Kollektionen werden immer kürzer. Ich bin aber kein Fast-Fashion-Designer, das entspricht nicht meiner Philosophie. Nachahmungen meiner Entwürfe sind schon so oft zwei Wochen nach meiner Show bei den Fast-Fashion-Anbietern gehangen. Viel schneller, als sie in meinen eigenen Shops landen. Wenn ich an meinen Grundsätzen, an Materialqualitäten und Arbeitsbedingungen festhalten will, dann sind diese Fristen unrealistisch.

STANDARD: Dieser Ideenklau kann einen ärgern, oder?

McCartney: Ärgern ist der falsche Begriff. Was auf den ersten Blick wie ein Kompliment wirkt, frustriert mich. Besonders dann, wenn meine "Falabella"-Tasche plötzlich aus Leder nachgemacht wird.

STANDARD: Sie sind mit Kate Moss und Liv Tyler auf Du und Du. Welche Rolle spielen Celebritys in Ihrem Business?

McCartney: Von außen sieht es so aus, als nutze ich all diese Celebritys, um meine Mode zu verkaufen. Tatsächlich aber sind das echte Freunde von mir. Ich bin von Anfang an mit bekannten Menschen groß geworden, sie waren einfach um mich herum. Das mag großkotzig klingen, aber so ist das nun einmal. Wir leben in einer Welt, die Celebritys verdammt wichtig nimmt. Bekannte Menschen werden geliebt, gehasst, beneidet. Dieser Faszination entkommt man nicht.

STANDARD: Apropos, für Ihr Parfum werben unter anderen die Tochter von Madonna und die Musikerin Grimes. Warum haben Sie sie ausgewählt?

McCartney: Ich wollte nicht schon wieder mit konventionellen Models werben, die nichts aussagen und von denen sich junge Mädchen abgeschreckt fühlen. Das Casting ist natürlich trotzdem schön, aber ein wenig unkonventioneller. Grimes ist einfach eine verdammt coole junge Frau, die was zu sagen hat. Kenya Kinski-Jones ist Tierrechtsaktivistin.

STANDARD: In letzter Zeit ist es in der Mode angesagt, die Selbstermächtigung der Frau hochzuhalten. Verstehen Sie sich als Feministin?

McCartney: Das werde ich gerade ständig gefragt. Ich würde dem nicht widersprechen. Der Begriff "Feministin" kann aber gern von der Bildfläche verschwinden. Ich finde schade, dass es keinen Begriff gibt, der auch die Unterstützung von Männern miteinbezieht. Wir brauchen eine andere Begrifflichkeit und feministische Stimmen in allen Bereichen. Was gern in Vergessenheit gerät: Nicht alle Frauen auf dieser Welt haben dieselben Rechte.

STANDARD: Was sagen Sie zu den T-Shirts mit feministischen Sprüchen, die derzeit an jeder Ecke verkauft werden?

McCartney: Die stören mich nicht, solange die Message hängenbleibt und zum Nachdenken anregt.

STANDARD: Wird's demnächst auch von Ihnen solche Shirts geben?

McCartney: Meine ganze letzte Kampagne hat sich um Frauen gedreht, ich bin eine Befürworterin dieser Sache. Um das zu verstehen, braucht man nur meinen Instagram-Account anzuschauen. Ich würde tatsächlich niemals nie sagen. (Anne Feldkamp, RONDO, 21.7.2017)


Britische Designerin zeichnet in Berlin Nachwuchs aus

Während Berlin-Mitte noch in den Federn lag, wurde am späten Vormittag im Kaufhaus Jandorf schon am Sektglas genippt. Zum zweiten Mal war das Gebäude, zu DDR-Zeiten das "Haus der Mode", zentraler Veranstaltungsort der Berliner Modewoche. Auch Peek & Cloppenburg veranstaltete hier anlässlich des Nachwuchswettbewerbs Designer for Tomorrow seine Show. Zum zehnten Mal kürte das Unternehmen in Berlin einen Preisträger, schon zum zweiten Mal fungierte die britische Designerin Stella McCartney als Schirmherrin. Unter den fünf Finalistinnen wurde in diesem Jahr die Deutsche Lara Krude, die an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg studiert hat, ausgezeichnet: Sie durfte den diesjährigen Award nach Hause nehmen. Ihre von der Herrenschneiderei inspirierte Kollektion aus dekonstruierten Stücken (siehe Bild) schien nicht nur der Jury, sondern auch McCartney zu gefallen. Die 45-jährige Britin, die 2001 ihr zum französischen Luxusgüterkonzern Kering gehörendes Label Stella McCartney gründete, macht nämlich seit letztem Jahr auch Männermode. Diese verzichtet wie die Frauenkollektionen auf Leder und Pelz.

Details zu dem von Stella McCartney betreuten Nachwuchswettbewerb unter designer-for-tomorrow.com