St. Pölten / Wien – Die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Regelungen für die bedarfsorientierte Mindestsicherung werden zunehmend zu Fällen für Höchstgerichte. So jetzt – erneut – das niederösterreichische Mindestsicherungsgesetz.

Diesem hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zwar erst vor zwei Wochen bescheinigt, verfassungskonform zu sein, obwohl es seit April 2016 subsidiär schutzberechtigte Flüchtlinge vom Bezug ausschließt. Doch nun geben andere, seit Anfang 2017 geltende Regelungen, die bisher nur politisch ein Zankapfel waren, Anlass für eine neue VfGH-Prüfung.

Weniger Geld für anerkannte Flüchtlinge

Konkret geht es um die niedriger angesetzten Maximalbezüge laut Paragraf 11a für Menschen, die weniger als fünf Jahre in Österreich leben: die sogenannte "Mindeststandards-Integration". Der Passus trifft überwiegend anerkannte Flüchtlinge, die statt 889,84 nur maximal 522,50 Euro monatlich erhalten. Sowie um die generelle Deckelung des Mindestsicherungs-Höchstbezugs bei 1500 Euro laut Paragraf 11b: eine Bestimmung, die unter anderem kinderreiche Familien trifft.

Wegen dieser beiden Regelungen hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich beim VfGH den Antrag auf Aufhebung wegen Verfassungswidrigkeit gestellt. Mindestsicherungs-Beschwerdeführern wurde schriftlich mitgeteilt, dass ihre Verfahren bis zum Höchstgerichtsentscheid unterbrochen werden. Ein solches Schreiben liegt dem STANDARD vor.

Minisummen statt Existenzsicherung

Die Zahl der Mindestsicherungsbeschwerden beim Landesverwaltungsgericht hatte zuletzt stark zugenommen. Denn es war zu besonderen Härten gekommen, wie DER STANDARD berichtete. Etwa, weil die zuständigen kommunalen Sozialbehörden die Deckelung auch bei alleinstehenden, aber in Wohnungen zusammenlebenden Personen anwendeten. So erhielt ein anerkannter Flüchtling in Wiener Neustadt nur 159,92 Euro monatlich.

Eine Österreicherin wiederum, die zwei Jahre im Ausland gelebt hatte, wurde nur die niedrigere Mindeststandards-Integration ausbezahlt. Auch erhielt sie eine Einladung für einen Integrationskurs. Die im Auftrag der Diakonie tätige Sozialrechtlerin Petra Sußner geht von insgesamt 100 bis 150 Anfechtungen aus.

Freude bei der Diakonie

Bei der Diakonie hieß es am Freitag, die Aufhebung der Mindestsicherungsnovelle "stehe bevor". Auch Sußner sah im Antrag ans Höchstgericht diesbezüglich ein "starkes Indiz". Beim VfGH bestätigte Sprecher Wolfgang Sablatnig das Einlangen des Aufhebungsantrags. Dieser könne aber auch negativ beschieden werden. 2016 hob der VfGH 32 Gesetze nach Gerichtsanträgen auf und bestätigte 81. Bei insgesamt 584 Gesetzesprüfungsverfahren zusammengenommen war die Aufhebungsrate mit 51 niedriger. (Irene Brickner, 21.7.2017)